Object: Geschichte des deutschen Volkes

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Die Weltlage. § 433—434. 
das 17. Jahrhundert hinaus. Fast die ganze Ostsee war von schwedischem 
Gebiet umschlossen (§ 398,). Zu den alten Besitzungen waren durch den west¬ 
fälischen Frieden noch die von Deutschland abgetretenen Gebiete: Vorpommern 
(mit Stettin, Stralsund, Rügen), Wismar und die Fürstenthümer Bremen und 
Verden gekommen. Da Schweden durch diese Erwerbungen Mitglied des Reiches 
geworden, so übte es eine drückende und entscheidende Wirkung in allen Reichs¬ 
augelegenheiten aus. Zugleich aber erstreckte sich sein Einfluß auch über Däne¬ 
mark, Rußland und Polen, und vergeblich bemühten sich diese entweder ohn¬ 
mächtigen oder noch unausgebildeten Staaten, demselben sich zu entziehen. Auf 
Gustav Adolf war seine Tochter Christine gefolgt 1632—1654, erst unter 
der vormundschaftlichen Regierung einiger stolzer Adelsgeschlechter, dann selbst¬ 
ständig, bis sie der Herrschaft müde, die Krone niederlegte, und ihrem aben¬ 
teuerlichen Sinne folgend, nach dem Süden ging, nach Rom und Frankreich, 
um katholisch zu werden. Aber das volle schwedische Uebergewicht erneuete, wie 
wir unten sehen werden, ihr Nachfolger Karl X. 1654 —1660, ein Vetter 
Christinens, ein deutscher Prinz aus dem Hause Pfalz-Zweibrücken (§ 248. Anm.). 
Meist mit Frankreich verbündet, dänipfte diese protestantische Macht nicht minder 
jedes neue Aufleben deutscher Kraft und Selbstständigkeit. Die (protestantischen) 
Seemächte, Holland und England, hatten theils mit sich selbst zu thun 
(es fällt in diesen Zeitraum die englische Revolution), theils waren sie gegen 
das ohnmächtig gewordene Deutschland, welches ihnen nichts nützen konnte, wenig 
wohlwollend gesinnt. Erst allmählig treten sie mit den deutschen Staaten gegen 
die drohende Uebermacht Frankreichs in Bündnisse, und erst im folgenden Jahr¬ 
hunderte (durch den spanischen Erbfolgekrieg) gelingt der gemeinsame Sieg und 
die Niederwerfung der französischen Vorherrschaft. 
§ 434. Oe streich war aus dem westfälischen Frieden zwar überwunden 
und geschwächt aber doch nicht vernichtet und ohnmächtig hervorgegangen. In 
Deutschland behielt es den verwaltenden Einfluß sowohl durch seine Ländermasse 
als auch durch die gleichsam zum Recht gewordene Gewohnheit, daß der Herr¬ 
scher Oestreichs auch zugleich der Kaiser war. Im Innern seines Reichs war 
die absolute Monarchie nicht minder befestigt als in Frankreich, seit durch den 
30 jährigen Krieg zugleich mit dem Protestantismus auch die ständischen Rechte 
des Adels in Oestreich, Böhmen und Ungarn niedergeworfen waren. Die Re¬ 
gierungsgrundsätze Ferdinand's II. blieben dieselben bei seinen nächsten Nachfol¬ 
gern, Ferdinand III. 1637—1657, der den Jesuiten nicht minder als sein 
Vater zugethan war, und unter Leopold I. 1657—1705, der langsam, be- 
geistrungslos, jesuitisch erzogen und gesonnen, eine lange Negierungszeit ohne 
Heil für das Reich, wenn auch nicht ohne glänzenden Ruhm, den seine Feld¬ 
herren erwarben, geherrscht hat. Noch immer war Oestreich in seinen äußeren 
Unternehmungen meist mit Spanien verbunden. Nur war aus dieser an- 
greisenden Doppelmacht jetzt eine nur noch abwehrende geworden. Frankreich's 
und Ludwig's XIV. Ehrgeiz bedrohte nemlich in gleicher Weise die spanischen 
Niederlande (das heutige Belgien), das, den Habsburgern engbefreundete Lotha¬ 
ringische Land und Herzogshaus (§ 251.) und auch das deutsche Reich längs 
des ganzen Oberrheines, den Oestreich durch seine Kaiserstellung zu schützen ver¬ 
pflichtet war, und an den damals noch seine vorderen Lande (§ 280. besonders 
der Breisgau mit dem festen Freiburg) stießen. Aber in allen beiden ver¬ 
wandten Reichen und Herrscherhäusern zeigten sich die Spuren des Verfalls, 
sowohl in der Unbedeutenheit der Herrscher als in der zunehmenden geistigen 
Verdumpfung der Völker.
	        
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