55. Aus dem Briefwechsel berühmter Brautpaare (Bismarck und I. v. Puttkamer).
geben, denn sie bedarf es so sehr; es muß bald anders werden, in
manchen Momenten ist mir das Verhältnis ganz unerträglich.
Gute Nacht, mein alles! Ich möchte nur Namen finden, Dich
zu nennen; es drückt keiner aus, was Du mir bist. Ich bin wohler,
als ich’s erwartet habe. Lotte (von Lengefeld an Schiller).
vm.
Stettin, Ende Dezember 1846.
Verehrtester Herr von Puttkamer! Ich beginne dieses Schreiben
damit, daß ich Ihnen von vornherein seinen Inhalt bezeichne; es ist die
Bitte um das Höchste, was Sie auf dieser Welt zu vergeben haben, um
die Hand Ihrer Fräulein Tochter. Ich verhehle mir nicht, daß ich dreist
erscheine, wenn ich, der ich erst neuerlich und durch sparsame Begegnungen
Ihnen bekannt geworden bin, den stärksten Beweis von Vertrauen be¬
anspruche, den Sie einem Manne geben können. Ich weiß aber, daß ich
auch, abgesehen von allen Hindernissen in Raum und Zeit, welche Ihnen
die Bildung eines Urteils über mich erschweren können, durch mich selbst
niemals imstande sein kann, Ihnen solche Bürgschaften für die Zukunft
zu geben, daß sie den Einsatz eines so teuren Pfandes von Ihrer Seite
rechtfertigen würden, wenn Sie nicht durch Vertrauen auf Gott das er¬
gänzen, was das Vertrauen auf Menschen nicht leisten kann. Was ich
selbst dazu tun kann, beschränkt sich darauf, daß ich Ihnen mit rückhalt¬
loser Offenheit über mich selbst Auskunft gebe, soweit ich mir selber klar
geworden bin.
Über mein äußerliches Auftreten wird es Ihnen leicht sein, Nach¬
richten durch andere zu erhalten; ich begnüge mich daher mit einer Dar¬
stellung meines inneren Lebens, welches jenem zugrunde lag, und be¬
sonders meines Standpunktes zum Christentum. Ich muß dazu weit
ausholen. Ich bin meinem elterlichen Hause in frühster Kindheit fremd
Md nie wieder völlig darin heimisch geworden, und meine Erziehung
wurde von Hause her aus dem Gesichtspunkt geleitet, daß alles der Aus¬
bildung des Verstandes und dem frühzeitigen Erwerb positiver Kenntnisse
untergeordnet blieb. Nach einem unregelmäßig besuchten und unver¬
standenen Religionsunterricht hatte ich bei meiner Einsegnung durch
Schleiermacher, an meinem 16. Geburtstag, keinen andern Glauben als
einen nackten Deismus, der nicht lange ohne pantheistische Beimischung
blieb. Es war ungefähr um diese Zeit, daß ich, nicht aus Gleichgültigkeit,
sondern infolge reiflicher Überlegung aufhörte jeden Abend, wie ich von
Kindheit her gewohnt gewesen war, zu beten, weil mir das Gebet mit
meiner Ansicht von dem Wesen Gottes in Widerspruch zu stehen schien,
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