Full text: [Teil 3 = Oberstufe, [Schülerbd.]] (Teil 3 = Oberstufe, [Schülerbd.])

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b. Sie schleicht dahin mit wankendem Tritt, 
es wächst ihr der Weg mit jeglichem Schritt, 
ihr zitterndes Herz in die Augen ihr schwillt, 
ihr trocknes Auge in Tränen quillt. 
Eil' dich, alt Mütterchen, eile! 
7. Der Pfad ist verloren, der Weg ist verschneit, 
das heimische Dorf ist weit noch, gar weit. 
Doch den Kirchturm, von ferne kannst du ihn sehn, 
du Alte, du Alte, o bleibe nicht stehn! 
Eil' dich, alt Mütterchen, eile! 
8. Alt Mütterchen wandert nicht vor, nicht zurück, 
die Heimat sucht ihr umnachteter Blick, 
sie setzt sich langsam in weichen Schnee, 
drückt das Haupt in die Knie, ihr wird so weh! 
Eil' dich, alt Mütterchen, eile! 
9. Das Sternenheer beginnt seinen Lauf, 
die Alte sitzet, sie steht nicht auf. 
Der Tod schreitet her übers schneeige Feld, 
ihm gehört nun die schweigende, schaudernde Welt. 
Fliehe, alt Mütterchen, fliehe! 
10. Die Kinder zu Hause, die jammern so sehr, 
die Alte stört es im Leben nicht mehr; 
die Kinder schreien nach Brot, nach Brot, 
alt Mütterchen hört's nicht, alt Mutter ist tot! 
Schlaf nun, alt Mütterchen, schlafe! 
72. Der alte Friedhof. 
Anna Ritter. 
Gedichte. 1. Aussage. Leipzig. 1898. 8. 109. 
1. Er ist so tief hineingeschmiegt 
ins Dämmerlicht der Linden, 
das alte Pförtchen so versteckt, — 
wer mag den Zugang finden? 
2. Von droben schaut des Kirchleins Turm, 
ein ernster Weiser, nieder, 
und um die Hügel blüht ein Kranz 
von Immergrün und Flieder. 
3. Vergeßne Gräber! Hier und dort 
in den verfärbten Gittern
	        
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