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unseres Landes, besonders die seiner Heiden, das westfälische Wesen bilden, vorzüglich in den
ältesten Zeiten, in denen nach Tacitus' Aussage unser Volk wegen des Einzelwohnens in
solch inniger Verbindung mit der Natur lebte, wie kein anderer Volksstamm. Auch die
Schweigsamkeit deS Westfalen bekundet diesen alten, nachwirkenden und noch jetzt in be-
schränkter Weise geltenden Einfluß der Natur. Das Kind, welches in solcher Naturumgebung *
erwächst, wird zu wenigem Fragen und Sprechen veranlaßt, weil es wenige Gegenstände sieht,
bie seine Aufmerksamkeit und Neugier erregen. Die Bildung des Kindes aber ist das Bildungs¬
gesetz des Volkes, dem es angehört. . ..
Die Heiden, nicht selten von »gelben Haarrauchs zähem Nebeltuch" umhüllt oder von
dleigrauem, schwerem Gewölk vermummt, haben allerdings ihre ermüdende Einförmigkeit, ihre »
liefe Melancholie; aber nicht immer erscheinen sie in solch düsterer Öbe. Der Hauptreiz einer
Landschaft, welchen der Maler ihre Stimmung nennt, ward mit allen Wechseln besonder-
der Heide in vollstem Maße zuteil. Die Stimmung hängt eben von der Beleuchtung ab.
Noch in viel höherem Grade als daS Master verdient das Licht die Seele der Landschaft
genannt zu werden. Das Licht haucht der Landschaft gleichsam Leben und Gemüt ein, indem "
es bald hell, bald verschleiert, bald ersterbend und bald in den reichsten Farbenwundern er¬
blühend die Gegenstände, die eS beleuchtet, in sein ätherisches Wechselspiel hineinzieht und sie
stets anders als vorher erscheinen läßt. Auf der Heide nun, wie auf dem Meere, wirkt daS
Licht ungehindert und in großartiger Weise; ja, in glücklichen Augenblicken verklärt sich die
Heide durch den Zauber der Beleuchtung und der Farben zu unvergleichlicher Schönheit.»»
Unvergeßlich ist mir noch ein Bild aus einer nördlich von Münster gelegenen Heide, wie ich
eS am Abende eines Spätherbsttages sah. Die weite, in der Ferne fahl verdämmernde,
bräunlich-dunkle Krautdecke wurde von breiten, voll-rotgoldenen Strömen des Abeudsonnen-
lichteS getroffen, welche radspeichenförmig von der schon halb am Heiderande gesunkenen Sonne
dom westlichen zum östlichen Horizonte flogen. Die Sonne sank tiefer, die Lichtströme wurden »»
feuriger, und feenhaft schwebten die silbernen Stämme goldgrünlaubiger Birken aus ihnen
empor, als gewännen sie Leben; aber die unbeleuchteten Heidestriche zwischen den fächerförmig
auseinandergespreizten Strahlen streifen wurden immer fahler und finsterer. Das ferne Moor-
gewässer begann wie brennende Lava in düsterrotem Glanze aufzulodern; die Kiefernwälder
an seinem Strande aber glichen schwarzen» zackigen Felsenriffen. Graue und kupferfarbige»«
Ballenwolken zogen in phantastischen Scharen über die Heide, doch immer mehr wuchs nach
dem Sinken der Sonne der Abenddämmer, bis die ganze tragische Pracht des Bildes erstarb.
Wie aber erfreut und erfrischt uns dann wieder die ungehemmte Lichtfülle des Morgens auf
freier Heide, auS deren heiteren, sonnigen Gebieten gleich blauen Edelsteinen aus vergoldeter
Bronze die flimmernden Gewässer leuchten, in denen sich der Azur des Himmels widerspiegelt! «
Bange Schauer dagegen ergreifen uns, wenn bei dem Dunkel eines stürmischen Abends
daS gebrochene Mondlicht dem Heidemoore ein gespenstiges Leben verleiht, wenn der schwarze
Wacholder mit seinen seltsamen Umrissen abenteuerliche, fratzenhafte Spukgestalten schafft,
die wechselnd in grauen, dumpfen Nebelgeweben verschwinden und wieder auftauchen; wenn
das Schilf wimmert und seufzt, wenn das Wasser schluchzt, und der Föhrenwald in traurigen «
Chören rauscht, während der Mond wie die Larve eines Toten blaß und kalt aus deu
Wolken schaut, die in wilder Jagd an ihm vorüberziehen.
Das sind Stimmungsbilder, deren wir noch viele anreihen könnten. Doch schon die
wenigen, nur mit farblosen Worten hingezeichneten mögen genugsam dartun, daß jenes ab¬
sonderliche Lob, welches wir vorhin der Heide spendeten, keine Übertreibung ist. «
1. O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald,
Du meiner Lust und Wehen
Vndächt'ger Aufenthalt!
94. Abschied. sJm Walde bei Lubowitz.)
Bon I. Freiherrn x>. Eichendorff.
Gedichte. Leipzig 1871. S. HM.
(1810.)
Da draußen, stets betrogen,
Saust die geschäft'ge Welt,
Schlag noch einmal die Bogen
Um mich, du grünes Zelt!