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umkreist sie ein zwiefacher Umgang von Arkaden, welche mit Säulen geziert
sind; in der Mitte aber auf dem Boden ist die Stelle bezeichnet, wo Kaiser
Karl sein Grab gefunden. Die Gänge oben erfüllte damals dicht gedrängt
das Volk, das von weit und breit zum grossen Feste herbeigeströmt war.
In dem unteren Raume aber erwartete der Erzbischof Hildebert von Mainz n
— der sich erst nach langem Hader mit den Erzbischöfen von Köln und
Trier das Recht der Krönung erstritten hatte — mit allen Erzbischöfen,
Bischöfen und Priestern, die sich eingestellt hatten, den jungen König. Als
dieser an der Pforte erschien, schritt er ihm entgegen, den Krummstab in
der Rechten, und führte ihn mit der Linken bis in die Mitte des Münsters, u
wo Kaiser Karls Grabstein liegt, und Otto von allen Seiten erblickt werden
konnte. Hier wandte er sich um und rief laut zu dem Volke: „Sehet, ich
führe euch Otto zu, den Gott zu eurem König erwählt, König Heinrich be¬
stimmt und alle Fürsten erhoben haben! Gefällt euch solche Wahl, so er¬
hebt eure Rechte zum Himmel!“ Alle erhoben die Hände, und donnernd ns
hallte es in der Runde: „Heil und Segen dem neuen Herrscher!“
Darauf schritt der Erzbischof mit Otto bis zum Altare vor, wo Schwert
und Wehrgehäng, Mantel und Spange, Scepter, Stab und Diadem, dieZeichen
der königlichen Würde, bereit lagen. Zuerst nahm er Schwert und Wehr¬
gehäng und sprach, zum Könige gewendet: „Nimm hin dies Schwert und s»
triff damit alle Feinde des Herrn, Heiden und schlechte Christen! Denn
darum hat dir Gottes Wille alle Gewalt über das Reich der Franken ver¬
liehen, dass die ganze Christenheit sichern Frieden gewinne.“ Dann ergriff
er den Mantel mit den Spangen und legte ihm denselben an mit folgenden
Worten: „Die Säume dieses Gewandes, die bis zur Erde herabwallen, sollen u
dich mahnen, bis an das Ende auszuharren im Eifer für den Glauben und
in der Sorge für den Frieden“. Und als er ihm Scepter und Stab über¬
reichte, sprach er: „An diesen Zeichen lerne, dass du väterlich züchtigen
sollst, die dir untergeben sind!“ „Vor allem aber“, fuhr er fort, „strecke
deine Hand aus voll Barmherzigkeit gegen die Diener Gottes wie gegen die 33
Witwen und Waisen, und nimmer versiege auf deinem Haupte das Öl des
Erbarmens, auf dass du hier und dort die unvergängliche Krone zum Lohn
empfangest! “ Mit diesen Worten nahm er das Ölhorn, salbte ihn mit dem
heiligen Öle, das die Kirche als ein Zeichen der Barmherzigkeit ansieht,
und setzte ihm unter Beihilfe des Erzbischofes Wikfried von Köln das gol- x-
dene Diadem auf das Haupt. Als so die Krönung vollbracht war, stieg Otto
schon im Glanze der Krone zu dem Throne empor, der zwischen zwei Marmor¬
säulen von wunderbarer Schönheit erhöht war, von wo er das ganze ver¬
sammelte Volk überblickte und von allen gesehen werden konnte. Hier
blieb er, während die Messe gehalten wurde, dann stieg er vom Throne«
herab und kehrte zur Pfalz Karls des Grossen zurück.
Hier war inzwischen an marmorner Tafel das Königsmahl mit auser¬
lesener Pracht bereitet. Mit den Bischöfen und Herren setzte sich der neue
Herrscher zu Tische; es dienten ihm aber beim Krönungsmahle die Herzoge
der deutschen Länder. So ist es damals zuerst geschehen und oft dann in 4*
der Folge; es war ein Zeichen, dass die Herzoge der einzelnen Länder den
König, der über das ganze Volk gesetzt war, als ihren Herrn erkannten,
dass sie nichts anderes sein sollten und wollten, als die ersten seiner Dienst¬
leute. Denn wie an dem Hofhält der deutschen Fürsten von alters her die
mächtigsten und angesehensten unter den Dienstleuten als Mundschenk, —
Kämmerer, Truchsess und Marschall die Person der Fürsten umgaben und
ihrer warteten: so leistete damals der Lothringenherzog Giselbert, in dessen