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und der neue dafür aufgehängt. Hierauf tritt die ganze Versammlung unter
Erntekranz in einen Kreis und stimmt das Lied an: „Nun danket alle Gott!" Nacv
dessen Beendigung beginnen dann die altertümlichen Ehrentänze des Hausherrn unv
der Hausfrau mit den Untergebenen. Bald ist das frohe Fest in vollem Gange un»
«hält alt und jung bis zum frühen Morgen in ungetrübter Heiterkeit beisammen.
160. Der gute (1809 im September.)
Von L. Ahland.
Tedichte und Dramen. Stuttgart 1863. Bd. II, S. 90.
1. Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern find'st du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
In gleichem Schritt und Tritt.
1. Wo schroffdie Straße und schwindlig-jäh
Herniederleitet zum Inn,
Dort saß auf der mächtigen Bergeshöh'
,Z Am Weg eine Bettlerin.
3. Ein nacktes Kindlein lag ihr im Arm
Und schlummert' in süßer Ruh',
Die zärtliche Mutter hüllt' es warm
Und wiegt' es und seufzte dazu:
so 3. »Du freundlicher Knabe, du liebliches
Kind,
Dich zieh' ich gewiß nicht groß,
Bist ja der Sonne, dem Schnee und dem Wind
Und allem Elend bloß.
3, 4. »Zur Speise hast du ein hartes Brot,
Das ein andrer nimmer mag,
Und wenn dir jemand ein Äpflein bot,
So war es dein bester Tag.
5. »Und blickt doch,duArmer,dein Auge hold,
* Wie des Junkers Auge so klar,
Und ist doch dein Haar so reines Gold,
Wie des reichsten Knaben Haar!"
2. Eine Kugel kam geflogen:
Gilt's mir oder gilt es dir?
Ihn hat es weggerissen.
Er liegt mir vor den Füßen,
Als wär's ein Stück von mir. *)
6. So klagte sie bitter und weinte sehr,
Als Lärmen ans Ohr ihr schlug;
Mit Jauchzen trabte die Straße einher
Ein glänzender Reiterzug.
7. Voran auf falbem, schnaubendem 9W
Die herrlichste aller Frau'n,
Im Mantel, der strahlend vom Nacken ihr fw
Wie ein schimmernder Stern zu schau'n.
8. Die strahlende Herrin war Frau
Die reichste im ganzen Land, ,
Doch auch die ärmste an Tugend und SiÜ,
Die rings im Lande man fand.
9. Ihr Goldroß hielt die Stolze an
Und hob sich mit leuchtendem Blick,
Und spähte hinunter und spähte hinan,
Und wandte sich dann zurück:
10. «Blickt rechts, blickt links hin in ^
Fern',
Blickt vor- und rückwärts herum,
Soweit ihr überall schaut, ihr Herr'n,
Ist all mein Eigentum.
Uhland ging an einem prachtvollen Sommerabend spazieren. Da kam ihm eine Schar
Bauernburschen entgegen, die aus frischer Brust Uhland« Lied: „Ich hatt' einen Kameraden rc-
««sangen. Uhland blieb stehen und lauschte; es mochte denn doch ein eigentümliches Gefühl sein, c,
eigenen Gedanken und Worte von den Lippen fremder Leute wiederzuhören, die ihn ebenso weM
kannten, wie er sie. Bei der Stelle: „als wär'« ein Stück von mir", waren die jungen Leute
de« Dichters unmittelbare Nahe gekommen, und einer von ihnen streckte, wie von plötzlicher
gebung erfaßt, seine Hand nach dem einsamen Spaziergänger aus, indem er sang: „ als wär'» e
5* Stück von dir". — Nie gedachte der Dichter dieses kleinen Erlebnisses ohne Rührung.
3. Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad':
»Kann dir die Hand nicht geben,
Bleib du im ew'gen Leben
Mein guter Kamerad!"
161. Frau Hitt. (Tiroler Volkssage.)
Von D. Lbert.
Dichtungen. Prag 1828. Bd. I. S 57.