Full text: Für Seminarvorbereitungsanstalten und Fortbildungsschulen (Bd. 1 = Vorstufe, [Schülerband])

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38V. Beim Schlüsse des Jahres 
Von Eleonore Fürstin Reust. 
Gesammelte Blätter. Berlin 1867. S. 137. 
^ l Das Jabr geht still zu Ende, 
sei auch still, mein Herz, 
Gottes treue Hände 
--Eg' ich nun Freud' und Schmerz, 
und was dies Jahr umschlossen, 
<Las Gott der Herr nur weiß, 
Die Tränen, die geflossen, 
Die Wunden brennend heiß. 
2. Warunr es soviel Leiden, 
kurzes Glück nur gibt? 
^arum denn immer scheiden, 
wir so sehr geliebt? 
manches Aug' gebrochen, 
und mancher Mund nun stumm, 
Der erst noch hold gesprochen, — 
Du armes Herz, warum? 
3- Daß nicht vergessen werde, 
man so gern vergißt: 
Daß diese arme Erde 
Mt unsre Heimat ist. 
^ hat der Herr uns allen, 
Die wir auf ihn getauft, 
3« Zions goldnen Hallen 
^in Heimatrecht erkauft. 
4. Hier gehen wir und streuen 
Die Tränensaat ins Feld, 
Dort werden wir uns freuen 
Im sel'gen Himmelszelt. 
Wir sehnen uns hieuieden 
Dorthin ins Vaterhaus, 
Und wiffen's, die geschieden, 
Die ruhen dort schon aus. 
5. O, das ist sichres Gehen 
Durch diese Erdenzeit; 
Nur immer vorwärts sehen 
Mit sel'ger Freudigkeit. 
Wird uns durch Grabeshügel 
Der klare Blick verbaut, 
Herr, gib der Seele Flügel, 
Daß sie hinüberschaut. 
6. Hilf du uns durch die Zeiten 
Und mache fest das Herz, 
Geh selber uns zur Seiten 
Und führ uns heimatwärts. 
Und ist es uns hienieden 
So öde, so allein, 
O laß in deinem Frieden 
Uns hier schon selig sein! 
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38!. Die Katzen und der Hausherr. (1748.) 
Von M. <8. Lichtwer. 
Schriften. Herausgegeben von E. L. M. v. Pott. Halberstadt 1828. S. 32. 
^ 1. Tier' und Menschen schliefen feste, 
selbst der Hausprophete schwieg, 
^ls ein Schwarm geschwänzter Gäste 
^on den nächsten Dächern stieg. 
^ 2. In dem Vorsaal eines Reichen 
stimmten sie ihr Liedchen an, 
ein Lied, daö Stein' erweichen, 
Menschen rasend machen kann. 
^ 3. Hinz, des Murners Schwiegervater, 
schlug den Takt erbärmlich-schön, 
A>d zwei abgelebte Kater 
4. Endlich tanzen alle Katzen, 
Poltern, lärmen, daß es kracht, 
Zischen, heulen, sprudeln, kratzen, 
Bis der Herr im Haus erwacht. 
5. Dieser springt mit einem Prügel 
In dem finstern Saal herum, 
Schlägt um sich, zerstößt den Spiegel, 
Wirft ein Dutzend Schalen um. 
6. Stolpert über ein'ge Späne, 
Stürzt im Fallen auf die Uhr, 
Und zerbricht zwei Reihen Zahne: — 
Blinder Eifer schadet nur. 
Quälten sich, ihm beizustehn. 
882. Der Gsel, die Schlange, die Nachteule, die Feldmaus und 
die Sonne. 
Von I. G. Willamov. 
Dialogische Fabeln. In zwei Büchern. Berlin 1791. S. 63. 
Der Esel: 
O Sonne! scheine nicht so heiß! 
werde noch vor Mattigkeit und Schweiß 
Dei meiner Arbeit unterliegen. 
Die Schlange: 
Dank sei dem Zeus für seinen Sonnen¬ 
schein! 
ES liegt darin sich mit Vergnügen. so
	        
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