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Mandschurei angetreten. Der Versuch der Russen, den Feind am Grenzflüsse
Jalu aufzuhalten, niißlang. Nach einem achttägigen Kampfe zwangen die
Japaner das russische Heer zum Rückzüge und konnten nun die Hafenstadt
Dalny besetzen und die Festung Port Arthur einschließen. General Nogi
5 leitete die Belagerung der von Stöffel verteidigten Festung. Die erste
japanische Armee unter General Knroki drang weiter in die Mandschurei
vor, um das russische Hauptheer an dem Entsätze von Port Arthur zu
hindern. In zehntägigem Kampfe bei Liaoyan wurden die Russen unter
Kuropatkin geschlagen und zum Rückzüge auf Mulden genötigt. (Anfang
10 September 1904.) Ein letzter Versuch, nach Port Arthur durchzubrechen,
wurde von Marschall Oyama am Schaho im Oktober zurückgewiesen. Ebenso
mißlang es den in Port Arthur und Wladiwostok eingeschlossenen russischen
Schiffen, die Blockade zu durchbrechen; nur drei Schiffe kamen durch die
japanischen Linien und retteten sich inühsam in neutrale Häfen, wo sie ent-
15 wassnet wurden. Immer bedenklicher wurde die Lage von Port Arthur;
im November und Dezember erstürmten die Japaner einige die Stadt
beherrschende Anhöhen und nahmen die äußeren Festungswerke. General
Stöffel hielt unter diesen Umstünden eine weitere Behauptung der Festung
für unmöglich und kapitulierte am 2. Januar 1905. Etwa 30 000 Mann
20 kampffähiger Truppen und 15 000 Kranke und Verwundete waren in der
Festung. Nach der späteren gegen Stöffel eingeleiteten Untersuchung hätte
die Festung noch länger gehalten werden können, und es war für den
weiteren Verlauf des Krieges von nicht zu unterschätzender Bedeutung, daß jetzt
das Belagerungsheer unter Nogi frei wurde zur Unterstützung des Marschalls
25 Oyama in der Mandschurei. Das Heer des letzteren wuchs durch die
Vereinigung mit Nogi auf eine Stärke von 320 000 Mann, während
Kuropatkin über 380 000 Mann verfügte. Die numerische Überlegenheit
der Russen wurde jedoch ausgeglichen durch die bessere strategische Schulung
und die kühne Angriffslust der Japaner. In der 14 tätigen Schlacht bei
30 Mukden (24. Febrnar bis 10. März 1905) wurden die Russen wiederum
völlig geschlagen; am 10. März konnten die Japaner ihren Einzug in die
Hauptstadt der Mandschurei halten. Gewiß mit Unrecht schrieb der Zar
diesen Mißerfolg feiner Truppen wesentlich der Schuld des Oberfeldherrn
zu und ersetzte Kuropatkin durch den General Lenewitsch. Es war im
35 wesentlichen die schlechte Bewaffnung und Verpflegung der russischen Truppen
und der Mangel jeder Begeisterung auf russischer Seite, der die Kämpfe
zuungunsten Rußlands entschied. Denn woher sollte denn der russische
Bauer ein Interesse nehmen an diesen Kämpfen, die Tausende von Meilen
weit von seiner Heimat um ihm unverständliche Interessen gefochten wurden?
40 Dagegen waren die japanischen Truppen alle von der Überzeugung erfüllt,
es gelte den schlimmsten Feind für die Unabhängigkeit und Größe ihres
Vaterlandes von dessen Boden und aus dessen Nachbarschaft fern zu halten.