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zu lassen. Letztere zu öffnen, wurde angeraten, damit sie
nicht zersprängen.
Wir Kinder freuten uns dieser eigentümlichen Lage ganz
kindisch. Wir hatten andere Gedanken als die Großen, und
auf einen Schaden mehr oder weniger kam es uns auch nicht
an. Wir hofften, daß die Katholische Kirche und das Schloß
einstürzen, unsere Wohnung wenigstens wanken werde, und
freuten uns unsäglich darauf, sämtliche Fenster auf die Straße
fliegen zu sehen. Die Mehrzahl der Hausbesitzer mochte
fürchten, was wir hofften.
Nun dämmerte der verhängnisvolle Morgen über die wohl¬
bekannten Dächer der gegenüberliegenden Häuser herauf. Die
Straßen waren öde und verlassen, und in banger Erwartung
eines großen, schrecklichen Ereignisses ruhte alle Arbeit. Man
hörte keinen Laut in der weiten Stadt. Die Fenster standen
offen trotz des frischen Morgens, doch ließ sich niemand
blicken, und nur der aufsteigende Rauch aus den Feueressen
bezeugte, daß die Einwohnerschaft nicht ausgestorben sei.
Wir hatten uns sämtlich in ein Hinterzimmer zurückge¬
zogen, das an das Wohnzimmer der Mutter stieß, um uns
vor den Quadersteinen der Brücke zu sichern, von denen man
annehmen zu dürfen glaubte, daß sie wie Vögel durch die
Luft fliegen und in die Außenwände der Häuser schlagen
würden. Es waren Augenblicke der höchsten Spannung; denn
die nächste Minute konnte über Tod und Leben entscheiden,
und wir Kinder fingen an, dem vernünftigen Wunsche Raum
zu geben, daß doch alles recht gut ablaufen möchte.
Da geschah ein dumpfer Schlag. Die Mutter faßte nach
uns Kindern: doch waren mein Bruder und ich bereits beim
Vater am Fenster und sahen eine dicke Rauchsäule über der
Brücke aufwirbeln. Gleichzeitig flogen alle Haustüren auf,
und die Bewohner drängten auf die Straße, den Schaden zu
besehen. Aber siehe da! zwei Bogen und ein Pfeiler fehlten
freilich an der Brücke, sonst war diese unbeschädigt, und auch
die umliegenden Gebäude hatten nicht gelitten. Die Franzosen