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Die im rauhen starxen Norden,
Die in üppig warmen Zonen —
Es vertauschen ihre Schätze
Brudern gleich die Natlonen.
Und mit freud' gem Stolze blick ich
Auf das buntgeschaͤft'ge Treiben.
Nicht das fernste, kleinste Eiland
Will den Brüdern fremd verbleiben.
Millionen Hände strecken
Allerwärts sich uns entgegen,
Bieten friedlich uns zum Tausche
Ihres Mutterlandes Segen.
Holder Friede, sei du König
Auf dem ganzen Erdenrunde!
Binde die getrennten Stämme
Sanft und fest zum Bruderbunde!
Laß sie ihrer Arbeit Früchte
Liebend nehmen, liebend geben,
Laß sie tauschen und befruchten
Ihres Geistes edles Leben!
360. Der Bauer und sein Kind.
Von J. Sturm.
Gedichte. Leipzig 1862. S 44.
Der Bauer steht vor seinem Feld
Und zieht die Stirne kraus in Falten:
„AIch hab' den Acker wohl bestellt,
Auf reine Aussaat streng gehalten;
Nun seh' mir eins das Unkraut an!
Das hat der böse Feind gethan.“
*
Da kömmt sein Knabe hochbeglückt,
Mit bunten Blüten reich beladen;
Im Felde hat er sie gepflückt;
Kornblumen sind es, Mohn und Raden;
Er jauchzt: „Sieh, Vater, nur die Pracht!
Die hat der liebe Gott gemacht.“
361. Aus „Die Jungfrau von Orleans“.
Von Fr. v. Schiller.
„Die Jungfrau von Orleans“. 4. Auftritt.
Lebt wohl, ihr Berge, ihr geliebten Triften,
Ihr traulich stillen Thäler, lebet wohl!
Johanna wird nun nicht mehr auf euch wandeln,
Johanna sagt euch ewig Lebewohl!
Ihr Wiesen, die ich wässerte, ihr Bäume,
Die ich gepflanzet, grünet fröhlich fort!
Lebt wohl, ihr Grotten und ihrkühlen Brunnen!
Du Echo, holde Stimme dieses Thals,
Die oft mir Antwort gab auf meine Lieder,
Johanna geht, und nimmer kehrt sie wieder!
Ihr Plätze alle meiner stillen Freuden,
Euch lass' ich hinter mir auf immerdar!
Zerstreuet euch, ihr Lümmer auf der Heiden,
Ihr seid jetzt eine hirtenlose Schar,
Denn eine andre Herde muß ich weiden,
Dort auf dem blut'gen Felde der Gefahr.
So ist des Geistes Ruf an mich ergangen,
Mich treibt nicht eitles, irdisches Verlangen.
Denn der zu Mosen auf des Horebs Höhen
Im feur'gen Busch sich flammend niederließ,
Und ihm befahl, vor Pharao zu stehen,
Der einst den frommen Knaben Isais,
Den Hirten, sich zum Streiter ausersehen,
Der stets den Hirten gnädig sich erwies,
Er sprach zu mir aus dieses Baumes Zweigen:
„Geh' hin! Du sollst auf Erden von mir zeugen.
In vauhes Erxz sollst du die Glieder schnüren,
Mit Stahl bedecken deine zarte Brust,
Nicht Männerliebe darf dein Herz berühren
Mit sünd'gen Flammen eitler Erdenlust.
Nie wird der Brautkranz deine Locke zieren,
Dir blüht kein lieblich Kind an deiner Brust;
Doch werd' ich dich mit kriegexischen Ehren
Vor allen Erdenfrauen dich verklären.
Denn, wenn im Kampf die Muthigsten
verzagen,
Wenn Frankreichs letztes Schicksal nun sich naht,
Dann wirst du meine Oriflamme tragen
Und, wie die vasche Schnitterin die Saat,
Den stolzen Ueberwinder niederschlagen;
Umwälzen wirst du seines Glückes Rad,
Errettung bringen Frankreichs Heldensöhnen,
Und Rheims befrei'n unddeinen König krönen!“
Ein Zeichen hat der Himmel mir verheißen,
Er sendet mir den Helm, er kömmt von ihm,
Mit Götterkraft berühret mich sein Eisen,
Und mich durchflammt der Muth der Cherubim.
Ins Kriegsgewühl hinein will es mich reißen,
Es treibt mich fort mit Sturmes Ungestüm,
Den Feldruf hör' ich mächtig zu mir dringen,
Das Schlachtroß steigt, und die Trompeten
klingen.