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Die Zeiten Luthers und Karls V.
schreiben, hauptsächlich um die Mittel zum Ausbau der Peters¬
kirche zu gewinnen. Der Missbrauch, der in gewinnsüchtiger
Absicht vielfach mit der Erteilung des Ablasses getrieben wurde,
veranlasste den Augustinermönch Martin Luther, Lehrer an der
Universität und Schlossprediger in der kursächsischen Haupt¬
stadt Wittenberg, am Vorabend vor Allerheiligen, 31. Oktober
1517, an der Thür der Schlosskirche 95 Thesen anzuschlagen,
worin er den Missbrauch des Ablasses bekämpfte und
den gelehrten Dominikaner Johann Tetzel als den Hauptver-
kiindiger desselben an der mittleren Elbe zu einer öffentlichen
Verhandlung darüber herausforderte.
Martin Luther wurde am 10. November 1483als ältester Sohn
einer aus Thüringen stammenden Bauernfamilie zu Eisleben geboren.
Da sein Vater, ein Bergmann, in dürftigen Verhältnissen lebte, hatte
der Knabe, der sich für einen gelehrten Beruf vorbereiten sollte, eine
harte Jugend, bis sich eine wohlhabende Kaufmannsfrau (Ursula Cotta)
in Eisenach seiner annahm. Noch nicht achtzehn Jahr alt bezog er
die Universität Erfurt; vier Jahre später trat er hier zum Erstaunen
seiner Freunde und zum Missfallen seines Vaters in das Augustiner¬
kloster ein, um den verlorenen Seelenfrieden durch frommen Wandel
wiederzugewinnen. 1507 wurde er Priester und im Jahr darnach
auf Veranlassung des Augustinerprovincialvikars Johann von Staupitz
als Lehrer an die Universität Wittenberg berufen. In Angelegen¬
heiten seines Ordens kam er — wahrscheinlich 1511 — nach Rom
und lernte das Leben und Treiben des päpstlichen Hofes an Ort und
Stelle kennen, ohne indess durch diesen Aufenthalt in seinen Glaubens¬
anschauungen wesentlich beeinflusst zu werden.
Auf Luthers Thesen antwortete Tetzel mit Gegenthesen;
der Angreifer und der Angegriffene erhielten von verschiedenen
Seiten Unterstützung, die Zahl der Streitschriften wuchs, und
der ursprüngliche Zwist zweier theologischen Gelehrten erregte
allmählich solches Aufsehen, dass Papst Leo seinen damaligen
Vertreter auf dem Augsburger Reichstag, den Kardinal Thomas
de Vio von Gaeta — daher gewöhnlich Cajetan genannt —
mit der Schlichtung der Angelegenheit beauftragte. Luther
erschien zur Verantwortung persönlich 1518 in Augsburg,
verweigerte aber den von Cajetan verlangten Widerruf
einiger von seinen Gegnern angefochtenen Sätze und verliess,
da er für seine persönliche Sicherheit besorgt war, flüchtig die
Stadt. An Leo richtete er zur Rechtfertigung seines Benehmens
die Schrift „De papa male informato ad papam melius infor-
mandunr4. Da sein Kurfürst, Friedrich der Weise, unverhohlen
für ihn Partei nahm2), brauchte er zunächst nichts zu befürchten.
Indessen gelang es zu Anfang 1519 einem zweiten päpst¬
lichen Bevollmächtigten, dem Kämmerer Karl von Miltitz, einem
x) Oder ein Jahr später; das Geburtsjahr ist ungewiss.
2) Er untersagte die Ablasspredigt in Kursachsen.