Full text: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

VIBalladen und Romanzen 
187 
IT 
183. Der schwarze Killer 
Ludwig Uhland. 
1. Pfingsten war, das Fest der 
Freude, 
Das da feiern Wald und Heide. 
Hub der König an zu sprechen: 
„Auch aus den Hallen 
Der alten Hofburg allen 
Soll ein reicher Frühling brechen.“ 
2. Trommeln und Trommeten 
schallen, 
Rote Fahnen festlich wallen. 
Sah der König vom Balkone; 
In Lanzenspielen 
Die Ritter alle fielen 
Vor des Kbnigs starkem Sohne. 
3. Aber vor des Kampfes Gitter 
Ritt zuletzt ein schwarzer Ritter. 
„Herr, wie ist eur Nam' und Zeichen?“ 
„Würd' ich es sagen, 
Ihr möchtet zittern und zagen; 
Bin ein Fürst von großen Reichen.“ 
4. Als er in die Bahn gezogen, 
Dunkel ward des Himmels Bogen, 
Und das Schloß begann zu beben. 
Beim ersten Stoße 
Der Jüngling sank vom Rosse, 
Konnte kaum sich wieder heben. 
5. Pfeif! und Geige ruft zu Tänzen, 
Fackeln durch die Säle glänzen; 
Wankt ein großer Schatten drinnen. 
Er thät mit Sitten 
Des Königs Tochter bitten, 
Thät den Tanz mit ihr beginnen, 
6. Tanzt im schwarzen Kleid von 
Eisen, 
Tanzet schauerliche Weisen, 
Schlingt sich kalt um ihre Glieder 
Von Brust und Haaren 
Entfallen ihr die klaren 
Blümlein welk zur Erde nieder. 
7. Und zur reichen Tafsel kamen 
Alle Ritter, alle Damen. 
Zwischen Sohn und Tochter innen 
Mit bangem Mute 
Der alte König ruhte, 
Sah sie an mit stillem Sinnen. 
8. Bleich die Kinder beide schienen; 
Bot der Gast den Becher ihnen: 
„Goldner Wein macht euch genesen“ 
Die Kinder tranken, 
Sie thäten höflich danken: 
„Kühl ist dieser Trunk gewesen.“ 
9. An des Vaters Brust sich 
schlangen 
Sohn und Tochter; ihre Wangen 
Thäten völlig sich entfärben 
Wohin der graue 
Erschrockne Vater schaue, 
Sieht er eins der Kinder sterben. 
10. „Wehl! die holden Kinder beide 
Nahmst du hin in Jugendfreude; 
Nimm auch mich, den freudelosen!“ 
Da sprach der Grimme 
Mit hohler dumpfer Stimme: 
„Greis, im Frühling brech' ich Rosen.“ 
*2*2*32644 
a) Gliederung: 1. Entschluß des Königs, ein Fest zu veranstalten Str. ) 
2. Das Turnier (SStr. 2 49). 3. Der Tanz (Str. 5—6). 4. Das Mahl (Str. 78 
5. Tod der Königskinder und Wunsch des Vaters Str. 5—10). — b) Grund— 
22 e: „Greis, im Frühling brech' ich Rosen. — Wie schrecklich und unerbitt— 
ich waltet nicht oft der Tod inmitten der lebensfrohen und lebensfrischen Jugend, 
während er des schwachen, lebensmüden Alters schont! 
184. Klein Roland. 
Ludwig Uhland. 
1. Frau Bertha saß in der Felsenkluft, 
Sie klagt' ihr bittres Los 
Klein Roland spielt in freier Luft, 
Des Klage war nicht groß.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.