J. Fabeln
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Dem andern sieht man's gleich an seinen Federn an,
Daß er nichts Kluges singen kann.“
Grundgedanke; Aus äußerer Schönheit und Kleiderpracht kann man nicht
auf geistige Vorzüge schließen. — Das Kleid macht nicht den Mann. — Der Schein
trügt. — Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
6. Der Kuckuck.
Christian Fürchtegott Gellert.
Der Kuckuck sprach mit einem Star,
Der aus der Stadt entflohen war.
Was spricht man, fing er an zu schreien,
Was spricht man in der Stadt von unsern Melodeien?
Was spricht man von der Nachtigall?
„Die ganze Stadt lobt ihre Lieder.“
Und von der Lerche? rief er wieder.
„Die halbe Stadt lobt ihrer Stimme Schall.“
Und von der Amsel? fuhr er fort
„Auch diese lobt man hier und dort.“
Ich muß dich doch noch etwas fragen:
Was, rief er, spricht man denn von mir?
„Das“, sprach der Star, „das weiß ich nicht zu sagen;
Denn keine Seele red't von dir.“
So will ich, fuhr er fort, mich an dem Undank rächen
Und ewig von mir selber sprechen.
Grundgedanke:; Vieles Reden von sich selbst ist ein sicheres Zeichen der Un—
fähigkeit. — Der Eitle singt sein eigenes Lob und nur dieses — Jedem gesällt
seine Weise wohl, drum ist das Land der Narren voll.“
7. Das KRulschpferd.
Christian Fürchtegott Gellert.
Ein Kutschpferd sah den Gaul den Pflug im Acker ziehn
Und wieherte mit Stolz auf ihn.
„Wann“, sprach es und fing an, die Schenkel schön zu heben,
„Wann kannst du dir ein solches Ansehn geben?
Und wann bewundert dich die Welt?“ —
„Schweig“, rief der Gaul, und laß mich ruhig pflügen;
Denn baute nicht mein Fleiß das Feld,
Wo würdest du den Hafer kriegen,
Der deiner Schenkel Stolz erhält?“
Grundgedanke: Die vornehmen Müßiggänger sollen die fleißigen Arbeiter
nicht verachten.
8. Der Hund.
Christian Fürchtegott Gellext.
Phylax, der so manche Nacht
Haus und Hof so treu bewacht
Und oft ganzen Diebesbanden
Durch sein Bellen widerstanden:
Phylax, dem Lips Tullian.
Der doch gut zu stehlen wußte,