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Nun traf es sich, daß ein feiner und vornehmer Herr in
dem Städtchen Liegnitz schwer erkrankt und dem Tode nahe
war. Als alle Kunst der Ärzte keine Hilfe mehr bringen konnte,
hörte die Frau des Kranken von der Wunderkraft der Spring¬
wurzel und ließ einen armen Kräutersammler namens Martin
zu sich kommen, den sie bat, ihr eine Wurzel zu verschaffen,
koste es, was es wolle, denn sie gebe alles, was sie besitze, darum,
ihres Mannes Leben zu retten.
Martin erzählte der Frau, daß die Zauberwurzel nur in
dem im Riesengrund gelegenen Lustgärtlein des gefürchteten
Rübezahl wachse, sonst nirgends, und er jeden totschlage oder
ihm den Hals umdrehe, der sich dort eine Wurzel graben
wolle, und sein Leben sei ihm doch für Gold nicht feil, so nötig
er's brauche.
Aber die Frau ließ sich nicht abweisen; sie sparte weder
Bitten, Tränen noch Verheißungen hohen Lohnes, um den
Wurzelsammler zu rühren. Dadurch besonders bewog sie den
Mann doch endlich zu dem Versprechen, wenigstens den Versuch
zu wagen, um das Leben des kranken Mannes zu retten.
Er machte sich also auf die Wanderung nach dem Gebirge,
und als er unterhalb des Gipfels der Schneekoppe stand, sah er
jenseits eines mächtigen Bergkessels die herrliche grüne, bunt-
beblümte Wiese, welche als Rübezahls Lustgärtlein bekannt war.
Nur galt es noch, in die Schlucht hinab- und an der anderen
Seite wieder emporzuklettern, und endlich betrat der Wurzel¬
mann unter Angst und Zagen die gefürchtete Wiese, unter
deren üppigem Pslanzenwuchs und Blumenreichtum er bald
zu seiner Freude auch die ihm bekannte Staude der Spring¬
wurzel erkannte.
Tiefe Stille herrschte ringsum. Martins scheu umherspähende
Blicke bemerkten nichts Unheimliches, und so machte er sich denn
mit Fleiß und Eifer daran, der gesegneten Wurzeln so viele
herauszustechen, daß diese endlich zu einem Berg vor ihm auf¬
getürmt lagen. Als er sie eben zusammenzuschnüren begann,
um sich eiligst mit seiner Beute zu entfernen, erschreckte ihn
ein drohender Zuruf. Als er aufblickte, sah er einen Mann
von riesigem Wuchs auf sich zukommen, der eine gewaltige Hacke
drohend erhob, als ob er ihm den Schädel einschlagen wolle.
„Frecher Räuber," dröhnte die Stimme des Riesen, „ich
will dich lehren, fremde Gärten auszuplündern!"
Paldamus. Lesebuch. Ausg. C. I. Teil. Septima.
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