I. Zeitalter der Kirchentrennung.
Martin Luther.
rtiit Luther, der Sohn eines Bergmannes, geboren zu Eisleben den 10. November
1483 ober 1484, hatte 1501 bte Universität Erfurt bezogen, war 1505 Magister
geworben unb sollte sich nach bem Willen seiner Eltern ber Rechtswissenschaft
toibmert. In einem Momente heftigen Schreckens bei einem furchtbaren Gewitter, bas ihn
in Lebensgefahr versetzte, verbanb er sich burch ein Gelübde, Mönch zu werben. Nicht leicht
mochte jemanb weniger zu biesem Staube geeignet fein als er; gleichwohl trat er in bas
Augustinerkloster zu Erfurt. Im Beginn seines Prüfnngsjahres mußte er sich nach Kloster-
sitte lästigen Hausarbeiten unb bemütigenben Verrichtungen unterziehen, würbe jeboch balb
als Magister burch ben Provinzial Staupitz bavon
befreit. Nach fleißigern Stubiurn ber scholastischen
Theologie lehrte er an ber neuerrichteten Univer¬
sität Wittenberg Dialektik unb Ethik, ging aber schon
im folgenben Jahre zu bem ihm mehr zufagenben
Vortrage ber Theologie über. Ehe noch der Abla߬
streit begann, hatte sich Luther in einem ber wich¬
tigsten Punkte bes ganzen kirchlichen Lehrgebänbes,
im Dogma von ber Rechtfertigung bes Menschen,
von ber Lehre ber Kirche entfernt. Seine neue
Ansicht war bas Ergebnis eines peinigenben unb
trostlosen Zustanbes, in welchem er sich lange be-
sunben hatte. Wenn auch nach seiner Lossagung
von ber Kirche eine gewaltige Veränberung in seinem
sittlichen Charakter vor sich ging, so ist boch nicht
zu verkennen, baß jenes Feuer bes Zornes, bas
spater in hellen Flammen aufschlug, bamals schon, wenn auch niebergehalteu burch seine
asketischen Anstrengungen, in ihm glühte und baß er überhaupt gegen sein mit cblen wie
mit schlimmen Anlagen reich ausgestattetes Temperament einen Kampf führte, in bem er
oft unterlag. Er gesteht selbst, baß es außer ben Versuchungen ber Wollust vorzüglich
Regungen bes Zornes, bes Hasses unb Neibes gewesen, bie er nicht zu überwinden vermocht
habe. Dabei fehlte es ihm feinem eigenen Geständnisse nach an der Liebe Gottes; er habe,
schrieb er an Staupitz, vor Gott geheuchelt, wenn er Buße zu tun versuchte und eine
erdichtete und gezwungene Liebe in Worte faßte. Im Kloster,' erzählt er ferner, fei er
Christo so feint) gewesen, daß er, wenn er sein Gemälde oder Bildnis gesehen, wie er am
Kreuze hing, erschrocken fei, die Augen niedergeschlagen und lieber den Teufel gesehen hätte.
Schöppner-König, Charakterbilder. III. 4. Aufl. 2
Papst Leo X.