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119. Trojas Zerstörung.
1.
— Die Troer feierten den Abzug der Griechen bei festlichen
Gelagen und Reigentänzen bis spät in die Nacht. Flöten und
Pfeifen, Gesang und Jubel erscholl durch alle Strassen, und mancher
spottete über die feigen Feinde, die unverrichteter Sache davon¬
geflohen seien gleich Knaben und Weibern. Um Mitternacht
versank alles, niedergedrückt von Wein und Ermüdung, in
tiefen, sorglosen Schlaf. Da schlich sich Sinon, der mit den
jubelnden Troern bis zu Ende geschmaust und getrunken hatte,
heimlich zu dem Thore und zündete seinen auf der Flotte
harrenden Freunden das verabredete Feuerzeichen an; dann
eilte er zu dem Rosse und gab durch leises Rufen den ver¬
steckten Helden zu erkennen, dass es Zeit sei zum Beginnen
des Nordens. Die hörten es mit Freuden, denn sie sehnten sich
schon lange aus dem flüsteren Versteck nach Kampf und Streit.
Odysseus aber mahnte sie zur Vorsicht und stieg zuerst mit
Epeus aus der leise geöffneten Thüre, gleich einem hungerigen
Wolfe, der in der Nacht blutgierig zur Herde schleicht. Die
übrigen Helden folgten und ergossen sich nun durch die Strassen
und in die Häuser der Stadt. Sie begannen ein furchtbares
Morden unter den schlaftrunkenen, weinberauschten Troern,
warfen Feuerbrände in die Häuser, dass bald hier und dort die
lichten Flammen zum Himmel schlugen. Unterdessen trieb
auch die Flotte unter günstigem Winde ans Ufer, und das ganze
Heer eilte blut- und beutegierig durch das Thor, das durch die
eingerissenen Mauern ihnen einen breiten Eingang in die schon
mit Trümmern und Leichen bedeckten Strassen bot. Jetzt erst
begann das Getümmel der Verwüstung in furchtbarster Weise.
Aber auch für die Achäer war der Kampf nicht unblutig.
In der Verzweiflung wehrten sich die Troer mit allem, was
ihnen zur Hand war. Die einen schleuderten Becher, Tische,
oder vom Herd gerissene Feuerbrände gegen die Angreifenden;
andere waffneten sich mit Äxten und Beilen, mit Lanzen und
Schwertern und fochten in den Strassen; viele auch warfen
Steine und Balken von den Dächern. Die Flammen der bren¬
nenden Häuser, sowie die Fackeln, welche die Kämpfenden
angezündet hatten, um den Freund von dem Feinde zu unter-