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11a. Das Brot.
Es war ein heißer Sommer. Tag für Tag stieg
die Sonne am wolkenlosen Himmel empor. Die Bächlein
vertrockneten; die Flüsse schlichen kümmerlich im flachen
Bette dahin; die Blumen am Ufer hingen traurig ihre
Köpfchen, und die Kornähren im Felde seufzten nach
kühler Labung. Der Landmann aber ging kummervoll
durch die gelb gewordenen Saaten und flehete, gen Him¬
mel blickend, also: „Siehe, lieber Gott, ich habe gethan,
was ich thun konnte', habe im Frühjahr gepflügt und
gesäet und die keimende Saat gehütet mit aller Sorgfalt.
Du hast sie bewahret vor bösen Wettern, und die Menschen
freuten sich der gesegneten Fluren. Sei du uns nun
auch ferner gnädig. Unser täglich Brot gieb uns heute!"
Das hörte der liebe Gott und erbarmte sich der be¬
kümmerten Menschheit. Bald türmten dicke schwarze
Wolken sich auf, und ein erquickender Regen tränkte die
Flur. Da wurden die Menschen wieder froh. Die
Blumen hoben ihre Häupter; die Saaten standen er¬
frischt im Sonnenschein, und fröhlich plätscherten die
Gewässer in ihren Ufern. Bald klang die Sense des
Schnitters und das Lied der Schnitterinnen durch das
Feld. Kornbeladene Wagen schwankten heim. Dann
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