70. Des Bienchens Frühlingsschmaus.
Wilhelm Curtman.
war Frühling geworden; die Sonne hatte den
Schnee von den Bergen weggetaut; die grünen
Grasspitzen tarnen ans den welken Äalmen hervor;
die Knospen der Bämne brachen ans und ließen
schon die jnllgen Blättchen durchscheinen.
Da wachte das Bienchen ans seinem tiefen Schlafe auf,
worin es dell ganzer! Winter gelegen hatte; es rieb sich die
Augen lind weckte feine Kameraden, itnb die öffneten die
Türe und sahen, ob das Sis und der Schnee und der Nord¬
wind fortgegangen wären. Und sieh, es war überall Heller
und warrner Sonnenschein. Da schlüpften sie heraus alls
dem Bienenkörbe, putzten ihre Flügel ab und versuchten
wieder zu fliegen. Sie kamen zum Apfelbaum und fragten:
„Äast dll nichts für die hungrigen Bienchen? Wir haben
derr ganzen Winter nichts gegessen."
Der Apfelbaum sagte: „Nein, ihr konunt zu frühe 51t
mir; meine Blüten stecken noch in der Knospe, und sonst
habe ich nichts. Geht hin zu der Kirsche!" Da flogen sie
zu dein Kirschbauln lind sagten: „Lieber Kirschbaum, hast
dll keine Blüten fiir uns hungrige Bienchen?" Der Kirsch-
banln antwortete: „Konunt inorgen wieder, heute sind meine
Blüten noch alle geschlossen. Wenn sie offen sind, sollt ihr
willkonnnen sein."
Da flogen sie zil der Tulpe. Die hatte zlvar eine große,
farbige Blume; aber sie hatte weder Wohlgernch noch Süßig¬
keit, lind die Bienchen konnten feinen Äonig darin finden.
Da lvollten sie schon wieder traurig und hungrig nach
Äause zurückkehren, als sie ein dunkelblaues Blümchen an
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