229
21
bist du her?“ — „Aus einem Dorfe in inrnommern S
„Hast du noch Eltern?“ — „Noch eine Mutter.“ — „Wovon
ernährt sie sich?“ — „Vom Spinnen.“ — „Wie viel verdient
sie täglich damit?“ — „Alle Tage ihre sechs Dreier.“ — „Davon
kann sie sich wohl nicht viel zu uie thun?“ — ‚Hm! in Pommern
ist wohlfeil leben.“ — „Hast du ihr denn noch nichts geschickt?“
„O ja, ich habe ihr schon einigemäl ein paar Thaler geschickt.“
— „Daran hast du brav gethan,“ fuhr der König sn „du
bist ein guter Junge. Mit mir hast du auch so viel Mühe;
aber gedulde dich, ich werde dir was sammeln.“
Als nach einigen Tagen die Wache wieder an den Pommer
kam, ließ ihn der König vor sich treten und sagte: „Geh da
nach dem Fenster, da liegt etwas, das habe ich für dich ge—
sammelt.“ Es lagen aber im Fenster mehrere Goldstücke, und
der Bediente war verlegen, wie viel er nehmen sollte. Er
nahm daher nur w öffnete die Hand, zeigte sie dem
Könige und h „Soll ich so viel haben?“ — ‚Nein“ ant—
wortete der König, „du sollst sie alle haben, und deiner Mutter
habe ich auch was geschickt!“ Der Bediente erfuhr bald darauf,
daß der König seiner Mutter zeitlebens jährlich hundert Thaler
ausgesetzt habe, weil sie einen so guten Sohn habe.
Nach „Charakterzüge aus dem Leben Friedrichs U.“ Berlin 1788.
226. Der Rabe.
Seht doch den Raben dort an, wie er so abgemessenen
Schrittes in seinem pechschwarzen Kleide hinter dem Pfluge
einherschreitet. Er setzt seine stämmigen Beine weit von einander
und tritt schwer auf. Seine Schultern sind breit, und sein
dicker Schnabel mit den scharfen Kanten und der gebogenen
Spitze scheint sun darauf eingerichtet zu sein, um eine tüchtige
Portion verschlingen zu können. — Gewiß suht er sich etwas:
denn aus Kurzweil macht er den beschwerlichen Weg in den
Furchen nicht so oft hin und her. Sieh nur! er gar zu
aufmerksam und dreht seinen Kopf bald rechts, bald links, und
guckt dann wieder so bedachtsam in die Furche. — Aha, da
haben wir es! Ein Mäuschen hat er erwischt! Dummes
Tierchen, daß du gerade jetzt aus deiner Wohnung schlüpfen
mußtest! Wie es winselt! Aber darum bekümmert sich der
Rabe nicht. Er läßt es sich herrlich schmecken, und schon ist
er damit fertig. Ein paar Engerlinge nimmt er auch noch zu
sich, und — schon wieder ein —— Das rbe ich einen
Appetit! Wenn das den Tag so fortgeht, so kann er etwas
zusammenbringen. — Dort siht ein anderer auf einem Pfahle
aͤm Wege und verdaut wahrscheinlich seine genossene Mahlzeit.