Full text: Das Deutsche Reich (Bd. 1)

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der verschiedenen Nationalitäten, Sprachen und Bildungs¬ 
stufen schwer zu denken, selbst wenn Kaiser Franz I. nicht 
so eifersüchtig auf jede Minderung seiner Macht, und schon 
dem Namen einer Konstitution nicht so abhold gewesen 
wäre. Sein und seines gewaltigen Staatskanzlers Fürsten 
Metternich politischer Hauptgrundsatz war daher, Alles beim 
Alten zu lassen und den Freiheitsregungen der Völker nur 
im äußersten Nothfalle Zugeständnisse zu machen, wiewohl 
der kluge Fürst sich die Gefährlichkeit dieses Grundsatzes 
nicht verhehlte und sich mit der Hoffnung tröstete, daß 
wenigstens bei seinen Lebzeiten das Ganze noch leidlich 
Zusammenhalten würde. Als Kaiser Franz I. am 2. März 
1N35 starb und ihm sein biederer, aber körperlich oft sehr 
leidender Sohn Ferdinand I. folgte, führte Fürst Metternich 
das Staatsruder fast noch unbeschränkter fort und suchte 
fcurcf) Anstedlung der Jesuiten in Oesterreich den Geist der 
unruhigen Zeit zu dämpfen. Am unruhigsten waren die 
Lombarden und die Ungarn, die ihre alten Vorrechte in 
Verfassung und Verwaltung des Staats immer weiter aus¬ 
dehnen wollten. Aber auch in Deutsch-Oesterreich klagte 
man über den Druck der Presse, der Polizei, der Beamten¬ 
herrschaft, die Kamarilla oder den Einfluß geheimer und 
unberufener Rathgeber auf den Gang der Regierungs - und 
Staatsangelegenheiten, man seufzte über die Ohmnacht der 
s. g. Stände. Als daher selbst Papst Pius IX. in Rom 
mit seinen weitgreifenden Reformen voranging, als die 
Nachrichten von Mailand und der Februarrevolution in 
Paris anlangten, wurde vor Allem Oesterreich und dessen 
Hauptstadt Wien in den Strudel der heftigsten Bewegung 
mit fortgerissen. 
Zu Wien tagten eben die niederösterreichischen Stände, 
als die Nachricht vom Sturz des Julithrons eintraf. Auch 
hier begann die Bewegung mit Petitionen, die von jungen 
Männern eines juristisch-politischen Lesevereins und der 
Universität ausgingen, und als der Staatskanzler Metternich 
aufschiebend antwortete, brach am 13. März durch Studenten 
und Arbeiter ein Krawall aus. Sie forderten, durch eine 
revolutionäre Rede des ungarischen Agitators Kossuth 
angefeuert, Verantwortlichkeit der Minister, Entfernung der 
Jesuiten und Abdankung des Staatskanzlers. Militär 
rückte gegen die Aufrührer, und es kam zu einem Straßen- 
kainpf. Während dieser Vorgänge drängte am Hofe eine 
Deputation die andere, des Staatskanzlers Villa in einer
	        
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