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(denn so ward die Königstochter genannt), also daß von Zeit zu
Zeit Königssöhne kamen und durch die Hecke in das Schloß
dringen wollten. Es war ihnen aber nicht möglich; denn die
Dornen hielten, als hätten sie Hände, fest zusammen, und die
Jünglinge blieben darin hängen, konnten sich nicht wieder los¬
machen und starben eines jämmerlichen Todes. Nach langen,
langen Jahren kam wieder einmal ein Königssohn in das Land
und hörte, wie ein alter Mann von der Dornenhecke erzählte: es
sollte ein Schloß dahinter stehen, in welchem eine wunderschöne
Königstochter, Dornröschen genannt, schon seit hundert Jahren
schliefe, und mit ihr schliefe der König und die Königin und der
ganze Hofstaat. Er wußte auch von seinem Großvater, daß schon
viele Königssöhne gekommen wären und versucht hätten, durch
die Dornenhecke zu dringen, aber sie wären darin hängen ge¬
blieben und eines traurigen Todes gestorben. Da sprach der Jüng¬
ling: „Ich fürchte mich nicht, ich will hinaus und das schöne
Dornröschen sehen.“ Der gute Alte riet ihm ab, aber er hörte
nicht auf seine Worte.
4. Nun waren aber gerade die hundert Jahre verflossen, und
der Tag war gekommen, wo Dornröschen wieder erwachen sollte.
Als der Königssohn sich der Dornenhecke näherte, waren es lauter
große, schöne Blumen, die taten sich von selbst auseinander und
ließen ihn unbeschädigt hindurch, und hinter ihm taten sie sich
wieder als eine Hecke zusammen. Im Schloßhofe sah er die
Pferde und scheckigen Jagdhunde liegen und schlafen. Auf dem
Dache saßen die Tauben und hatten das Köpfchen unter den
Flügel gesteckt. Und als er ins Haus kam, schliefen die Fliegen
an der Wand; der Koch in der Küche hielt noch die Hand, als
wollte er den Jungen anpacken, und die Magd saß vor dem
schwarzen Huhne, das gerupft werden sollte. Da ging er weiter
und sah im Saale den ganzen Hofstaat liegen und schlafen, und
oben bei dem Throne lag der König und die Königin. Da ging
er noch weiter, und alles war so still, daß einer seinen Atem
hören konnte. Endlich kam er zu dem Turme und öffnete die
Tür zu der kleinen Stube, in welcher Dornröschen schlief. Da
lag es und war so schön, daß er die Augen nicht abwenden
konnte, und er bückte sich und gab ihm einen Kuß. Wie er es
mit dem Kusse berührt hatte, schlug Dornröschen die Augen auf,
erwachte und blickte ihn ganz freundlich an. Da gingen sie zu¬
sammen hinab, und der König erwachte und die Königin und der
ganze Hofstaat und sahen einander mit großen Augen an. Und