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11. Liebe macht stark.
Ober einen Knaben ging einmal ein Holzwagen und
brach ihm ein Bein entzwei. Als er weinend heimge¬
bracht wurde, sprang seine kranke Mutter vor Schrecken
aus dem Bette und fiel in Ohnmacht. Da wurde der
Knabe plötzlich still, und als ihm der Wundarzt das Bein
einrichtete, verbiß er sich die heftigsten Schmerzen und
gab keinen Laut von sich. Man fragte ihn: „Tut es dir
denn nicht weh?“ — „Ach ja, recht arg!“ antwortete
er; „aber die Mutter soll es nicht merken, damit sie
sich nicht ängstigt.“ „ , .
& 5 Gottlob Dittmar.
12. Brüderchen und Schwesterchen.
Brüderchen und Schwesterchen waren einmal allein zu
Hause. Da sagte das Brüderchen: „Die Mutter ist fort, wir
wollen uns etwas zu essen suchen und es uns gut schmecken
lassen." Schwesterchen sprach: „wenn'r niemand sieht, so will
ich wohl mittun." — „Komm mit in die Speisekammer!"
sagte das Brüderchen, „dort steht die Milchschüssel, von der
wollen wir den süßen Rahm abessen." Schwesterchen sprach:
„Mit Nichten, dort sieht's der Nachbar, der hinter dem Fen¬
ster holz spaltet." — „So komm mit in die Küche!" sprach
das Brüderchen, „im Küchenschrank steht der Honigtopf.“ —
Schwesterchen sprach: „Nch nein, dort sieht's die Nachbarin,
die an ihrem Fenster sitzt und näht.“ — „So komm mit in
den Keller!“ sprach das Brüderchen, „dort essen wir Äpfel,
und es ist dort unten stockfinster.“ Schwesterchen sprach:
„Nein, dort sieht's der liebe Gott, der sitzt im Himmel und
schaut überall hin und sieht auch im Dunkeln.“ Da erschrak
das Brüderchen, fürchtete sich und sprach: ,,N)enn das ist,
so wollen wir lieber gar nichts essen.“
Heinrich Laspari.