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140. Wie die Kinder Weihnachten spielen.
1. Du meinst, Weihnachten sei am schönsten, wenn recht
viele Geschenke unter dem Baume liegen und nur teure Marzipan¬
sachen und zahllose Glaskugeln daran hängen? Ach, glaube
doch das nicht! Ich habe heute ein Weihnachtsfest erlebt, ja,
das war eigentlich das schönste, das ich je erlebt habe.
2. Die Mutter war ausgegangen, und die drei Kinder waren
allein zu Hause. Und als Trudel, die älteste, aus der Schule
kam, brachte sie einen Tannenzweig mit, den hatte sie unterwegs
gefunden. Mitten auf der Fahrstraße hatte er gelegen, und Trudel
hatte ihn aufgenommen und wie einen Sonnenschirm gehalten
und hatte gedacht, wo kommst denn du her? Und wer hat dich
so mitten auf die Fahrstraße geworfen? Ja, wenn er hätte
sprechen können, dann hätte er es ihr wohl sagen können. Er
war ja vom Wagen gefallen, auf dem weit über hundert Tannen¬
bäume lagen, die alle in die Stadt auf den Weihnachtsmarkt ge¬
fahren werden sollten. Er hatte ganz am hinteren Ende des
Wagens gelegen als loser Zweig und war ins Rutschen ge¬
kommen und herabgefallen und war mitten auf der Fahrstraße
liegen geblieben.
3. Nun hatte ihn Trudel mitgenommen, nach Hause, in die
Kinderstube. „Damit wollen wir Weihnachten spielen,“ sagte sie
zu Walter und Herbert. „0 ja, laß uns Weihnachten spielen,“
sagte der Kleinste, der noch nicht zur Schule ging, „laß uns Weih¬
nachten spielen!“
4. Da wurde der Kindertisch leer gepackt; denn darauf sollte
der Baum stehen. Und die beiden Knaben mußten sich auf das
Sofa legen und schlafen, und kein Auge durften sie öffnen; denn
es war ja heilige Nacht, und der Weihnachtsmann war in der
Stube, und davon durften sie doch nichts merken.
5. So lagen sie auf dem Sofa, in jeder Ecke eins, und hielten
die Augen geschlossen und taten, als ob sie schliefen. Aber sie
schliefen nicht wirklich. Trudel aber wollte alles zurechtmachen
für das Fest. Was machte das für Arbeit!
6. Sie hatte ja gar keine Weihnachtssachen. Nicht ein einziges
Stück hatte sie, das wirklich in einen Weihnachtsbaum hinein¬
gehörte. Dazu fehlten die Hecke und die Äpfel und Nüsse, und
doch mußte alles da sein, wenn es wirklich ein schönes Fest
werden sollte. So mußte sie sich auf alles genau besinnen und
sich ausdenken, wie sie den Baum ausschmücken konnte.