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Schienenstrang frei, ein Wagen hat sich losgemacht, sitzt ganz voller
Kinder!" —
11. Na, man kann sich den Stationsvorsteher denken,- denn der war
am andern Ende des Fernsprechers, va waren ja nur noch ein paar
Minuten frei, und er lief — daß sich die Leute, die schon auf den näch¬
sten Zug warteten und auf dem Bahnsteige auf und ab wandelten, mit
Gelächter nach ihm umsahen. Rber der Stationsvorsteher hatte nur
einen Gedanken: wenn der wagen auf dem linken Strang herunter¬
jagte, dann mußte er ja unrettbar auf den nächsten Zug, der sogleich
von unten heraufkam, aufrennen, und nur eine einzige weiche konnte
ihn retten, Rber die hatte er jetzt auch gepackt, und fest warf er sie her¬
über, so daß nun der linke Strang in schwachem Bogen zum rechten
Strang hinüberführte. Nun ist die Bahn frei, dachte er, und nun wollen
wir den Rusreißer schon kriegen. —
12. Rch, da kam er auch schon angesaust, und die weiche krachte,
als wollte sie zerbrechen,- aber sie leitete den wagen doch sicher aus
den rechten und auf den richtigen Strang. — hu, was die Leute die
Rügen aufrissen, als das Ungetüm durch den Bahnhof schoß — denn
noch immer gingen die Schienen langsam bergab — und die Schnellig¬
keit mußte noch größer werden.
13. Uber der Stationsvorsteher wußte nun guten Uat. Menschen¬
kräfte konnten den rasenden wagen nicht aufhalten. Da war nur eine
Kraft, die helfen konnte, dieselbe Kraft, die die schnellsten Züge zur
Ruhe bringen konnte. Line Lokomotive mußte her. Und das telegra¬
phierte der Stationsvorstand auch nach der nächsten Station.
14. Zum Glück war dort gerade eine Lokomotive angeheizt worden,
und der Dampf fing an, unter den Rädern herauszupuffen, als ein
Bahnbeamter über die Schienen herangelaufen kam und dem jungen
Heizer — der Lokomotivführer war noch gar nicht gekommen — die
Schreckensnachricht mitteilte, die ihm von der Bergstation heruntertele¬
graphiert worden war. Uber der Heizer war frisch bei der Hand und
führte die Maschine auf das Streckengeleise.
15. Und dann kam der wagen herangeflogen, alles sprang vor
dem Ungetüm aus dem Wege. — Ruch die Lokomotive begann zu fliehen,
immer schneller, immer schneller. Der wagen holte sie ein und schob
sie vor sich her,- doch da fing die Lokomotive an zu bremsen, immer
stärker, immer stärker, und der flüchtige wagen kam zum Stehen.
Und die Kinder werden von diesem Rbenteuer ihr ganzes Leben j
lang erzählen.
Friedrich Gansberg.