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219. Aschenputtel.
I. - ..
Einem reichen Manne wurde seine Frau krank. Und als sie
fühlte, daß ihr Ende herankam, rief sie ihr einziges Töchterlein
zu sich ans Bett und sprach: „Liebes Kind, bleibe fromm und
gut, so wird dir der liebe Gott immer beistehen. Ich will vom
Himmel auf dich herabblicken und will um dich sein.“
Darauf schloß sie die Augen und verschied. Das Mädchen
ging jeden Tag hinaus zu dem Grabe der Mutter und weinte.
Es blieb aber fromm und gut. Als der Winter kam, deckte der
Schnee ein weißes Tüchlein auf das Grab. Und als es die Sonne
im Frühjahr wieder herabgezogen hatte, nahm sich der Mann
eine andere Frau.
II.
Die neue Frau hatte zwei Töchter mit ins Haus gebracht, die
schön und weiß von Angesicht waren, aber garstig und schwarz
von Herzen. Da ging eine schlimme Zeit für das arme Stief¬
kind an. „Soll die dumme Gans bei uns in der Stube sitzen?“
sprachen sie. „Wer Brot essen will, muß es verdienen; hinaus
mit der Küchenmagd!“ Sie nahmen ihm seine schönen Kleider
weg, zogen ihm einen alten grauen Kittel an und gaben ihm
hölzerne Schuhe. „Seht einmal die stolze Prinzessin, wie sie
geputzt ist!“ riefen sie, lachten und führten es in die Küche.
Da mußte es von Morgen bis Abend schwere Arbeit tun,
sehr früh aufstehen, Wasser tragen, Feuer anmachen, kochen und
waschen. Obendrein taten ihm die Schwestern alles erdenkliche
Herzeleid an, verspotteten es und schütteten ihm die Erbsen und
Linsen in die Asche, so daß es sitzen und sie wieder auslesen
mußte. Abends, wenn es sich müde gearbeitet hatte, kam es in
kein Bett, sondern mußte sich neben den Herd in die Asche
legen. Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah,
nannten sie es Aschenputtel.
III.
Es trug sich zu, daß der Vater einmal auf die Messe ziehen
wollte. Da fragte er die beiden Stieftöchter, was er ihnen mit¬
bringen sollte. „Schöne Kleider,“ sagte die eine, „Perlen und
Edelsteine,“ die zweite. „Aber du, Aschenputtel,“ sprach er, „was