Full text: [Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj] (Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj)

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die stolze Halszierde glatt, schlagen mit den Schwingen, daß es sauft und 
braust, plappern ein Weilchen, kitzeln sich wieder, und dann erheben sie 
ihr Gefieder und verteilen sich die Aller hinaus und hinab nach ihren 
ererbten Fischplätzen. 
Die großen weißen, aschblau bereiften, schwarzschwingigen Seemöwen, 
die seit dem letzten Reumoüd hier jagten, räumen ihnen das Feld; die 
blanken, schwarzen Krähen, die sich in den leeren Reiherhorsten häuslich 
niederlassen wollten, müssen weichen; der Waldkauz, der in dem einen 
Horste zu brüten gedachte, sucht sich einen hohlen Baum, und die Eichkatze, 
die in einem anderen sich Vorrat gesammelt hatte, findet ihre Schätze 
nicht wieder. 
Satt, mit vollen, tief herabhängenden Kröpfen, kamen die großen 
Vögel zurück; jeder trug einen Zweig, eine Rute, einen Ast; hastig begaben 
sie sich an ihr Werk, flickten die alten Horste aus, legten neue an, und bald 
schwebten in den Wipfeln der hochschäftigen Eichen dreißig große, sparrige, 
schwarze Klumpen, und ehe noch die Amsel zu bauen begann, lagen große, 
hellblaugrüne Eier in jedem der dreißig Horste. 
4. Während aber in den Wipfeln der Eichen unter den hellblaugrünen 
Schalen der Eier sich neues Leben formt, zerfällt am Boden das junge 
Werden; auf die gelben Blüten des Goldsternes, auf die quellenden Knospen 
des Spindelbaumes, auf die üppigen Blumenbüschel der Schlüsselblume, 
auf des Aronstabes saftstrotzende Blätter klatscht das scharfe, beizende, 
tötende Geschmeiß der Reiher, übertüncht den Boden, kalkt die Stämme 
an, überzieht die Zweige, alles vernichtend, was fein und zart und schnell¬ 
lebig ist; nur der Brennessel kann der giftige Kot keinen Abbruch tun, er 
düngt sie, und wenn der erste zarte Frühlingsflor der 2lche vorüber ist, 
wenn die Eichen Goldblättchen entfalten, dann überzieht den Waldboden 
der Ressel giftdornbewehrtes Gekräut mit einer einzigen undurchdringlichen 
Dickung. 
Dann sind oben die blaugrünen Eierschalen längst geborsten unter dem 
Gepicke emsiger Schnäbelchen, und auf ihren Trümmern liegen struppköpfige, 
glotzäugige, mordshäßliche Wesen, mit langen weißen Schimmeldunen be¬ 
wachsen, mit unförmlichen gelben Knorpelwülsten an den Schnabelwinkeln, 
der sich zu einem breiten roten Rachen öffnet, aus dem fortwährend ein 
heißhungriges Gieren hervortönt, das schrecklich zu der alten Reiher Gehör 
dringt. 
5. Vom Lerchenstieg bis zur Ulenflucht streichen sie fort und rudern 
sie her, die Kröpfe voll von Aalen und Brassen, Döbeln und Karpfen, 
Fröschen und Egeln, und würgen der ewig hungrigen Brut den Raub 
vor; und die Jungen schlucken und schlucken und nehmen zusehends zu an 
Umfang und Schönheit, verlieren die häßlichen Schimmeldunen, vertauschen 
die Wolle mit einem hübschen Gefieder, die gelben Knorpelwülste an den
	        
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