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erkennt er die Male: „Dein Los war leiden;
du lerntest dulden und entsagen,
drum sollst du die Krone des Lebens tragen!
Du siegtest, nichts soll dich fürder beschweren:
Lobe den mächtigen König der Ehren!"
Die Hände gefaltet, den Kops geneigt,
so lauscht er der Stimme. — Die Orgel schweigt.
Th. Fontane.
8. Dev Soinmev.
I. Im Sommer.
1. Das Leben im Sommer.
Welch' schöne Jahreszeit! Wahrlich, ich weiß ost nicht, bleibe
ich in der Stadt, oder geh' ich anss Feld, so sehr ist's überall gleich
hübsch.
Geht man zum Thore hinaus, so freut man sich über die Bettler,
die jetzt nicht frieren, und die Schäfer, die im Freien schlafen. Man
braucht kein dumpfes Haus; jede Staude macht man zur Stube und
hat dabei die guten, emsigen Bienen vor sich und die prächtigsten
Tagfalter. Wegen des Jagdgesetzes wird nichts geschossen, und alles
Leben in Büschen und Furchen und auf Anhöhen kann sich so recht
sicher ergötzen. Ans allen Wegen kommen Reisende daher und haben
die Wagen meist zurückgeschlagen; den Pferden stecken Zweige im
Sattel und den Fuhrleuten Rosen im Munde. Die Vögel fliegen
dazwischen ans und ab, und Handwerksburschen wandern mit ihren
Bündeln leicht einher. Sogar im Regenwetter steht man gern draußen
und riecht die Erquickung. Und ist es Nacht, so sitzt man nur in
einem kühleren Schatten und sieht den Tag am Horizonte dämmern.
Wohin ich nur blicke, finde ich mein liebes Blau: Am Flachs
in der Blüte, an den Kornblumen und am göttlichen, unendlichen
Himmel, in den ich gleich hineinspringen möchte wie in eine Flut.
Kommt man nun wieder nach Hanse, so findet man in der That