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Er ging dem Schalle nach und rief. Das Geräusch hörte auf,
fing aber bald an einer anderen Stelle wieder an. Es war kein
Mensch, wie er geglaubt hatte, sondern ein Specht, der mit dem
Schnabel gegen die Baumstämme hämmerte.
Moritz war hierdurch von seinem Wege vollständig abgekom¬
men. Er geriet in eine Tiefe, die vom Wasser ausgehöhlt schien,
und in welcher mächtige Felsblöcke in wilder Unordnung über¬
einander getürmt waren. Jenseits derselben öffnete sich der Wald,
und ein Weg mit Wagenspuren schimmerte hindurch. Das war
zwar ein erfreulicher Anblick, aber es schien unmöglich, zu dem
Wege hinab zu gelangen. Moritz sprang von einem Felsstück zum
andern; dann kam eins, von dem er hinab rutschen musste, und
nun eine grosse Felsenwand. Ratlos sah er hinab zu dem Wege,
der jetzt so nahe war, und den er doch nicht erreichen konnte.
Da ihm auch der Rückweg abgeschnitten war, so überfiel ihn
eine unbeschreibliche Angst.
Er sah zum Himmel hinauf. Ein Adler schwebte über ihm
und drehte sich in weiten Kreisen, wie Raubvögel thun, wenn sie
auf eine Beute stossen wollen. Plötzlich fiel ein Schuss, und der
Vogel stürzte nahe bei dem Knaben herab zwischen die Felsen.
Gleich darauf kam ein Jäger zum Vorschein, um sich seiner Beute
zu bemächtigen. „Gott sei Dank,“ dachte Moritz, „der kommt
mir wie vom Himmel!“ Er schrie, so laut er konnte. Der Jäger
schaute verwundert zu ihm hinauf. „Sagt mir, guter Mann,“ rief
Moritz ihm zu, „wie ich hinab kommen kann!“ — „Sag mir erst,
wie du hinauf gekommen bist!“ antwortete der Jäger. — „Das will
ich euch nachher erzählen,“ rief Moritz, dem jetzt der Mut wieder
wuchs, „vorher aber helft mir herunter!“ — „Das ist leicht gesagt,“
versetzte der Jäger. „Hast wohl gemeint, es solle ein Engel vom
Himmel zu dir kommen, wie zu dem Kaiser Maximilian an der
Martins wand? Doch will ich versuchen, dir zu helfen.“ Bei diesen
Worten öffnete er seine Jagdtasche, zog ein starkes Seil heraus
und warf ein Ende desselben dem Knaben zu. Nach mehreren
Versuchen glückte es Moritz, den Strick zu ergreifen. Jetzt befahl
ihm der Jäger, das Ende um einen hervor ragenden Stein zu
wickeln und festzubinden. Auch dies gelang. „Nun nimm dir
ein Herz, fasse den Strick mit beiden Händen und gleite hinab!