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Herbst.
161. Der Nußknacker.
Zwei Knaben hatten im Walde Haselnüsse gepflückt, saßen unter
den Stauden und wollten die Nüsse verzehren; aber keiner hatte ein
Messer hei sich, und mit den Zähnen konnten sie die Nüsse nicht
aufbeißen. Da jammerten sie sehr und sagten: „Ach! käme doch nur
jemand, der uns unsere Nüsse aufknacken wollte!“ Kaum hatten sie
das gesagt, so kam ein kleines Männlein durch den Wald einher¬
gegangen. Aber wie sah das Männlein aus? Es hatte einen großen,
großen Kopf, an dem ein langer, steifer Zopf bis an die Fersen herab¬
hing, eine goldene Mütze, ein rotes Kleid und ein gelbes Höslein.
Indem es nun so einhertrippelte, brummte es das Liedlein:
„Heiß, heiß,
Beiß, beiß,
Hansel heiß’ ich,
Nüsse beiß’ ich;
Geh’ gern in den grünen Wald,
Wann die Nuß vom Strauche fallt,
Mach’s dem lust’gen Eichhorn nach,
Knack’ und nag’ den ganzen Tag.“
Die Knaben wollten sich schier tot lachen über den kleinen,
drolligen Burschen, den sie für ein Waldzwerglein hielten. Sie riefen
ihm zu: „Wenn du Nüsse beißen willst, so komm her und knacke
uns diese auf, damit wir sie essen können!“ — Da brummte das
Männlein in seinen weißen Bart;
„Hansel heiß’ ich;
Nüsse beiß’ ich;
Hab’ ich aber mich beflissen,
Euch ein Dutzend aufgebissen,
Gebt mir zum Lohn
Ein paar davon!“
„Ja, ja!“ schrieen die Buben, „du kannst mitessen, knacke nur
fleißig auf!“ — Das Männlein stellte sich zu ihnen hin und sprach
„Hebt auf meinen langen Zopf,
Schiebt die Nuß in meinen Kopf,
Drücket nieder, und sofort
Schnell ist jede Nuß durchbohrt!“
Also taten sie, und das Lachen hörte nicht auf, wenn sie den
Kleinen immer beim Zopf nehmen mußten und wenn nach jedem
tüchtigen Knack die Nuß aus dem Maule sprang.
Bald waren alle Nüsse aufgebissen, und das Männlein brummte:
„Beiß, Beiß,
Heiß, Heiß!
Will meinen Lohn
Nun auch davon!“