Full text: Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) [bis zum Westfälischen Frieden] (Bd. 2)

Die Pyrenäenhalbinsel. Rudolf von Habsburg. 95 
Im Gegensatze zu dieser Entwicklung zeigte sich außerhalb Deutsch- 
lands und Italiens eine Erstarkung des Königtums und eine Entstehung 
kräftiger Nationalstaaten') an der Peripherie Europas (Spanien, Frank- 
reich, England, Rußland, Ungarn). Gegen Ende des Zeitraumes erfolgte 
im Morgenlande ein neuer Aufschwung des Islam durch die osmani- 
scheu Türken — benannt nach ihrem Führer Osmau —, die das Byzan- 
tinische Reich vernichteten und das christliche Abendland von Südosten 
her aufs schwerste bedrohten. 
I. Deutschland unter Königen aus verschiedenen 
Häusern (1273—1347). 
Rudolf I. von Habsburg (1273—1291). 
Die überhandnehmende Unsicherheit im Reiche ließ es nach dem 
Tode Richards von Cornwallis als wünschenswert erscheinen, wieder 
einen einheimischen König auf den Thron zu erheben. Doch wollten 
die deutschen Kurfürsten^) keinen allzu mächtigen Herrscher über sich 
sehen, damit sie und die anderen Fürsten ihre neugewonnene Landeshoheit 
nicht etwa wieder verlören. So einigte man sich schließlich auf den 55jäh¬ 
rigen Grafen Rudolf v. Habsburg. 
Die Habs(Habichts-)burg liegt in dem Winkel zwischen Aare und Reuß 
(in der Schweiz). Rudolf, ein tapferer, leutseliger, frommer und kluger Herr, 
besaß ausgedehnte Güter und Rechte in Südwestdeutschland (Schweiz, Elsaß). 
Indes war er sich vollständig darüber klar, daß seine Macht nicht annähernd hin- 
reichte, um außerhalb Deutschlands eine wirksame Rolle spielen zu können. Des- 
halb griff er in die italienischen Verhältnisse überhaupt nicht ein. Sein Streben 
ging dahin, sich vor allem eine bedeutende Haus(Territorial-)macht zu verschaffen 
und in Deutschland wieder einigermaßen Ordnung herzustellen. 
1. Die Begründung der habsburgischen Hausmacht. Nach dem Aus- 
sterben der Babenberger (1246) hatte sich König Ottokar II. von Böhmen- 
Mähren der Länder Österreich und Steiermark bemächtigt. Da er später 
auch Kärnten und Kram erbte, erschien er den deutschen Fürsten zu mächtig 
und deshalb gefährlich. Sie unterstützten also den deutschen König Rudolf, 
der dem Böhmenkönig die Neuerwerbungen (Osterreich, Steiermark, 
Kärnten, Krain) absprach. Ottokar verlor auf dem Marchfeld (unweit 1278 
von Wien) Sieg und Leben. Rudolf ordnete nun die Verhältnisse in der 
x) Nationalstaaten sind Staaten, deren Angehörige die gleiche Nationalität (Sprache 
und Abstammung) haben. Deutschland z. B. ist ein Nationalstaat, Osterreich nicht. 
2) Zu den „Kur(Wahl-)sürsten" zählten (nach dem Sachsenspiegel) die Erzbischöfe 
von Mainz, Köln und Trier, ferner der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und 
der Markgraf von Brandenburg. Eine weitere (siebente) Kurstimme war strittig zwischen 
Bayern und Böhmen, wurde aber von Rudolf I. endgültig der böhmischen Krone zu¬ 
gesprochen.
	        
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