Full text: Lesebuch für Mädchenfortbildungsschulen und ähnliche Anstalten

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Kammer und Küche. 
zuerst im Jahre 1519 von Spaniern nach Europa gebracht. Sie hatten in Mexiko schon 
eine seit Jahrhunderten bestehende, sehr ausgebreitete Kultur des Kakaobaumes ange¬ 
troffen. Ferdinand Kortez schrieb in seinem ersten Briefe an Karl V., daß man 
sich der Kakaobohne als Münze bediene und damit auf den Märkten einkaufe. 
Die Liebhaberei für die Schokolade verbreitete sich durch die zurückkehrenden Spa¬ 
nier bald in ihrem ganzen Heimatlande. Lange Zeit betrachteten die Spanier die 
Bereitung der Schokolade als ihr Geheimnis. Aber zu Anfang des 17. Jahr¬ 
hunderts brachte der Florentiner Carletti, der sich längere Zeit auf den Antillen 
aufgehalten hatte, die Bearbeitung der Kakaobohne zu Schokolade nach Italien 
und verbreitete, diese durch ganz Europa. Unter der Gemahlin Ludwigs XIV.,. 
Theresia von Österreich wurde sie in Frankreich verbreitet, und der erste, auf fran¬ 
zösischen Kolonieen gepflanzte Kakao wurde 1679 eingeführt. Auch England be¬ 
zieht schon seinen eigenen Kakao in demselben Jahrhundert. Die erste deutsche 
Schokoladenfabrik foll im Fürstentum Lippe zu Steinhude um 1756 vom Landes¬ 
herrn selbst eingerichtet worden sein, der hierzu Portugiesen in fein Land zog, die 
sich diesem Erwerbszweig widmeten. Aus eigenen Kolonieen jedoch Kakao einführen, 
konnte aber Deutschland erst zwei Jahrhunderte später als die übrigen Länder, 
obgleich es diese in der Fabrikation schon überflügelt hatte. 
4. Das eigentliche Heimatland des Kakaobaumes ist das tropische Amerika 
vom 23. Grad nördlicher^ bis znm 20. Grad südlicher Breite. In alle übrigen 
Gegenden, wo er heute in höchster Kultur gedeiht, ist er entweder durch die Re¬ 
gierungen oder durch Einwanderer, die aus Kakao bauenden Gebieten kamen, erst 
eingeführt worden. Wildwachsend ist er natürlich, wie auch bei uns fast alle 
Früchte, minderwertiger als der angebaute. Für uns Deutsche besonders wichtige 
Anbauungsgebiete ergeben die Kamerun- und Samoaländer. 
Mit seinen rot und gelben Blütenbüscheln, die den Stamm schon von unten 
an und die Äste und Zweige reich bedecken, ist der Kakaobaum eine wahre Zierde 
des tropischen Pflanzenwuchses und gleicht in seiner Form unserm Kirschbaum; 
seine Laubblütter sind auch wie die des Kirschbaumes geformt, nur daß sie etwa 
40 ein lang und 12 ein breit sind. 
Die Fruchtbildung geschieht nur an den Blüten des Stammes und der stär¬ 
keren Äste; auf tausend Blüten kommt ungefähr immer erst eine Frucht, doch sind 
Blüten und Früchte fortwährend vorhanden. In ihrer Form gleichen die Früchte 
fünfkantigen, dicken, faltigen Salatgurken, die recht spitz zulaufen, etwa 25 ein lang 
und 10 ein im Durchmesser; zuerst sind sie grün, später werden sie gelb und oft 
rötlich angehaucht. Fünfundzwanzig bis vierzig weiße Kakaobohnen sind in fünf 
Reihen quer nebeneinander liegend in das rosa, angenehm säuerlich schmeckende, 
kürbisähnliche Fleisch der Früchte gebettet. Sie werden aus diesem entfernt und 
an der Sonne getrocknet, oder was ihren Wert und Geschmack wesentlich erhöht, 
auf verschiedene Arten in hölzernen Gefäßen vier bis fünf Tage einer Gärung 
ausgesetzt, gerottet. Als Kennzeichen genügender Gärung dient die Verwandlung 
der Farbe in ein schönes Schokoladenbraun oder Braunviolett. Bekommt die Schale 
der Bohnen größere Brandflecke, so ist die Erhitzung zu stark gewesen und der 
Kakao wird minderwertig. Nach der Gärung erfolgt gegenwärtig in den meisten 
Pflanzungen eine Reinigung von den anhaftenden Fruchtresten durch Waschen. 
Schließlich werden die Bohnen an der Luft durch Sonne oder Feuer getrocknet 
und kommen in Säcke verpackt in den Handel. 
Wie es den Bohnen weiter ergeht, wie sie das gleiche Schicksal mit dem 
Kaffee haben, in Deutschland „braun gebrannt und in einer Mühle fein gemahlen" 
zu werden, wenn auch in anderer Weise wie dieser, erfahren wir am besten an der 
Hand einer Wanderung durch eine gut eingerichtete, größere deutsche Kakaofabrik:. 
5. Wir stehen vor einem stattlichen, schon von außen durch seine großen hellen 
Fenster Sauberkeit und Ordnung repräsentierenden Bau, der, von Gartenanlagen 
umgeben, der direkten Einwirkung des Straßenstaubes nicht ausgesetzt ist, und lenken 
zuerst unsere Schritte zu einem gesondert stehenden Gebäude, in welchem das Kon¬ 
tor der Fabrik sich befindet. Hier sehen wir die für Arbeiter und Arbeiterinnen.
	        
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