Full text: Lesebuch für Mädchenfortbildungsschulen und ähnliche Anstalten

Volkswirtschaft und -Wohlfahrt. 
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142. Ein sonderbarer Zaun und sonderbare Taler. 
1. Es gibt einen Zaun, geflochten ans den Redensarten: „ Es läßt sich eben 
nicht machen! — Die Umstünde erlauben es nicht! — Es ist der Leute wegen 
nicht möglich! — Die Verhältnisse sind nicht der Art!" u. s. w. Vor diesem Zaun 
bleibt einer stehn, wenn dahinter die Pflicht ist, und sagt: „Ihr seht ja, man kann 
nicht hinüber". Ist aber dahinter die Lust, so sagt er nichts, sondern — eins, 
zwei, drei! ist er drüben. 
2. Die Taler haben, wie die Menschen, die ganz besondere Neigung, einander 
aufzusuchen. Die Art ihres Zusammenkommens ist aber je nach den Umständen 
eine sehr verschiedene. Bei dem einen ruft der Taler zu Hause den Taler draußen 
zu sich; bei dem andern ruft der Taler draußen die andern aus dem Hause. Der 
eine wie der andere kann gegen dieses Benehmen der Taler nur wenig ausrichten. 
Trojan. 
143. Die Kunst, jeden Tag glücklich )U sein. 
Ja, wer die kennte! denkst du. Freilich, ich verstehe sie auch nicht ganz, aber 
etwas davon habe ich doch in Erfahrung gebracht; probier's einmal, ob's hilft. 
Also: Nimm dir jeden Tag vor, heute jedermann zu erfreuen und, soviel du kannst, 
glücklich zu machen. Geh dann an deine Arbeit und tu vor allem deine Pflicht. 
Du wirst froh und heiter dabei sein; denn ein rechtschaffener Gedanke macht froh. 
Suche sodann deinen Vorsatz auszuführen, wo sich dir Gelegenheit dazu bietet. Du 
wirst nicht lange darauf zu warten haben. Es braucht nicht Großes zu sein, was 
dn dem andern schenkst und bereitest, tue es mit freundlichem Blick und Gedanken, 
und es wird gut sein. 
Doppelt glücklich aber wirst du sein, wenn dein Nebenmensch den gleichen 
Vorsatz gefaßt hat wie du, und er sendet dir nun unverhofft etwas Freundliches 
in dein Haus oder dein Herz. 
Das ist die schönste, geheime Verbindung der Menschen, wenn jeder darauf 
denkt, die kurze Lebenszeit, die er hier neben dem andern zubringt, diesem, soviel 
er vermag, mit allem Guten und Schönen auszufüllen. 
Und höher steigt die Liebe, wenn man darauf denkt, etwas zu tun, was dem 
Allgemeinen, dem Staate, der Nation, der Menschheit zu gute kommt. Dieser 
Gedanke gibt jedem Menschen, so klein und beschränkt auch sein Leben sei, eine 
innere Würde und Hoheit, eine Glückseligkeit, die über alle kleinen Plagen, über 
alle Trennungen hinanshebt, die den Menschen mit sich und mit der Welt einig 
macht — durch die Liebe. B. Auerbach. 
144. Das Geld in der Volkswirtschaft. 
Nach dem Gelde greifen alle Hände. Um das Geld plagt sich der Mensch 
tagein tagaus. Um das Geld ist schon viel Schweiß und auch viel Blut ge¬ 
flossen; nicht nur, daß man sich redlich mühte, Geld zu erwerben, nein, man 
mordete auch, man sengte und brannte, um es an sich zu reißen. Etwas 
Verführerisches liegt in diesen kleinen Metallscheiben, eine geheimnisvolle Ge¬ 
walt wohnt ihnen inne. Was ist es doch, das die Begierde nach dem Besitz 
des Geldes so mächtig stachelt? 
1. Für Geld kann man alles haben, oder doch fast alles. Es ist ein 
Gegenstand, den jeder gern annimmt, und wofür er beliebige andere Bedarfs¬ 
artikel abgibt. Es ist das eigentliche Tauschmittel. Und zugleich dient er 
als Wertmesser. In Geld drückt man den Wert einer Ware aus und kann 
dann leichter die verschiedenen Werte gegeneinander abmessen. Man ver¬ 
gleicht zwei Größen mit einer dritten bekannten Größe. Tauschmittel und 
Wertmesser, das ist das Geld. Und weil es das ist, ist’s unentbehrlich. Was 
sollten wir wohl ohne Geld anfangen? Wie sollte sich der Güteraustausch 
vollziehen ohne Geld? Nehmen wir an, ein Nagelschmied hätte 100 Schock 
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