Full text: Lesebuch für Mädchenfortbildungsschulen und ähnliche Anstalten

304 
Gesetzliches. 
sie durch Näh- und Stickarbeiten oder durch Zimmervermieten ganz oder teilweise 
ihren Unterhalt erwirbt. Die Bedürftigkeit fällt auch nicht dadurch fort, daß ein 
öffentlicher Armenverband vorläufig den Unterhalt gewährt. Wer aber durch die 
Freigebigkeit eines Dritten, z. B. durch die von einem Freunde oder einer milden 
Stiftung für ihn ausgeworfene Rente unterhalten wird, muß dies bei Inanspruch¬ 
nahme seiner Kinder auf Erfüllung ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht berücksichtigen. 
3. Der Bedürftige hat gegen die unterhaltspflichtigen Kinder regelmäßig An¬ 
spruch auf st an de sm üßigen Unterhalt. Dieser umfaßt den ganzen Lebensbedarf, 
einschließlich der Kosten für ärztliche Behandlung und für Heilmittel. Dagegen 
gehört nicht auch die Zahlung von Schulden des Bedürftigen zur Unterhalts- 
gewührung; insbesondere geht die Unterhaltspflicht nicht so weit, daß man Proze߬ 
kosten eines Strafverfahrens oder Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren 
für den Bedürftigen trägt. Die Unterhaltspflicht beschränkt sich in einem Falle auf 
das zur Notdurft Ausreichende, d. h. auf etwa so viel, wie die öffentliche Armen¬ 
pflege zu gewähren pflegt, wenn der Bedürftige durch sein sittliches Verschulden 
verarmt ist, z. B. durch Trägheit, Trunksucht, Ausschweifung. Ein solches sittliches 
Verschulden liegt aber noch nicht vor, wenn die Verarmung die Folge schlechter 
Wirtschaft oder falscher Spekulation ist. 
4. Die gesetzliche Unterhaltspflicht trifft aber nur dasjenige Kind, das leistungs¬ 
fähig ist. Wer bei Berücksichtigung feiner sonstigen Verpflichtungen außer stände 
ist, ohne Gefährdung feines standesmäßigen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, 
ist nicht leistungsfähig. Bei der Leistungsfähigkeit ist aber die eigene Erwerbs¬ 
fähigkeit des Kindes mit in Betracht zu ziehen, d. h. nicht immer bloß das, was 
es wirklich erwirbt, sondern das, was es durch eine seiner Lebensstellung entsprechende 
Tätigkeit erwerben kann. Hat die Tochter selbst bedürftige Kinder, oder einen 
arbeitsunfähigen und unvermögenden Ehemann, so geht der Unterhaltsanspruch 
dieser ihrer engeren Familie dem der Eltern vor. Andererseits muß sich der 
Mann, der mit seiner Frau im Güterstande der Verwaltung und Nutznießung ver¬ 
heiratet ist, gefallen lassen, daß nicht nur die Nutzungen des eingebrachten Gutes, 
sondern auch dessen Stamm zur Bestreitung des Unterhalts der bedürftigen Eltern 
der Frau verbraucht werden. Leben die Gatten in Gütergemeinschaft, so dient 
sogar das Gesamtgut zum Unterhalt der bedürftigen Eltern der Frau, wie wenn 
es ihr allein gehörte. 
5. Mehrere unterhaltspflichtige Kinder haften gemeinschaftlich, nicht etwa jeder 
auf das Ganze; auf den Anteil eines vorverstorbenen Kindes sind dessen Abkömm¬ 
linge verpflichtet. Die auf Unterhalt klagenden Eltern haben nur ihre Bedürftig¬ 
keit zu beweisen. Wollen die beklagten Kinder Abweisung der Klage herbeiführen, 
so müssen sie ihre Vermögenslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit oder die Erschöpfung 
ihrer disponiblen Mittel durch nähere Unterhaltsberechtigte (eigene Kinder oder 
Ehegatten) dartun. 
Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Doch 
kann das unterhaltspflichtige Kind verlangen, daß ihm eine andere Unterhalts- 
reichung, z. B. durch Verpflegung in der Familie oder durch Leistung von Naturalien 
gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen. 
Mantey, Gesetzliche Rechte und Pflichten der Frau. Verlag Möller-Berlin. 
159. Die persönliche Stellung der Iran. 
1. Die Ehefrau erhält mit Abschließung der Ehe Familiennamen, Stand, 
Staatsangehörigkeit und Unterstützungswohnsitz des Mannes. Auch teilt sie stets 
kraft Gesetzes seinen jeweiligen Wohnsitz, selbst wenn sie berechtigter Weise von 
ihm getrennt lebt, z. B. mit gerichtlicher Erlaubnis während des Scheidungs¬ 
prozesses. Sogar wenn der Mann seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt und die 
Frau ihm dorthin nicht folgt, hat sie auf den ausländischen Wohnsitz des Mannes 
ein gesetzliches Anrecht. Nur wenn sie ihm ins Ausland nicht folgt, weil sie ihm zu 
folgen nicht verpflichtet ist, d. h., weil ein Folgeverlangen des Mannes ein Miß-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.