256 
Zweiter Teil. In Dorf und Heimat 
II. Im wirtschaftlichen Verkehr. 
135. wirtschaflsstufen in der Geschichte der 
Volkswirtschaft. 
Der heutige Zustand der zivilisierten Völker, welcher diesen ein Kul¬ 
turleben ermöglicht, wie es früher nie bei einem Volke möglich war, 
hat sich im Verlauf der Geschichte der Menschheit erst allmählich aus¬ 
gebildet. Die heutige Volkswirtschaft ist also das Ergebnis einer langen 
geschichtlichen Entwicklung. 
Seitdem Menschen das Feuer anzünden und unterhalten, seit sie 
neben pflanzlichen Nahrungsstoffen auch regelmäßig Fleischnahrung be¬ 
gehren, Geräte und Werkzeuge erfinden und mit gemeinsamer Sprache 
und Sitte in politischen Gemeinschaften tätig sind, unterscheidet man 
zwei Gruppen von wirtschaftsstufen. Einmal wird die Unterscheidung 
vorgenommen nach dem Zustand der volkswirtschaftlichen Erzeugung 
von Gütern oder dem Zustand der Produktion, andererseits nach 
dem Zustand des T a u s ch v e r k e h r s. Die Grundformen bei der ersteren 
Unterscheidung sind: die wirtschaftsstufen des Fägervolkes bzw. Fischer¬ 
volkes, des Hirten-(Nomaden-) Volkes, des seßhaft gewordenen reinen 
Uckerbauvolkes, des Gewerbe- und Handelsvolkes, des Industrievolkes, 
werden dagegen die Entwicklungsstufen des wirtschaftlichen Lebens nach 
der Urt des vorherrschenden Uustausches untersucht, so ist zu unter¬ 
scheiden zwischen Naturalwirtschaft, Geldwirtschaft und Ureditwirtschaft. 
Die Naturalwirtschaft bezeichnet den Zustand der Volkswirt¬ 
schaft, in welchem, soweit überhaupt ein Tauschverkehr stattfindet, die 
Tauschgeschäfte ausschließlich oder doch in der Negel Naturaltausch¬ 
geschäfte sind: eine Gabe der Natur oder ein Ergebnis menschlicher Ur- 
beit wird gegen Gleichartiges ausgetauscht. Gemünztes Metallgeld ist 
entweder noch völlig unbekannt oder wird nur sehr selten verwendet. 
Überhaupt werden nur wenig Tauschgeschäfte vorgenommen. Zwischen 
den Privatwirtschaften besteht noch kein regelmäßiger Tauschverkehr, 
weil im allgemeinen jede Wirtschaft selbst alles das hervorbringt, dessen 
sie bedarf und das sie verwendet oder verzehrt. Städte und Stadtwirt¬ 
schaften bestehen noch nicht. Der Staat dagegen erfüllt seine nur ge¬ 
ringen Leistungen zum Teil unmittelbar durch unentgeltliche Zwangs¬ 
leistungen seiner Nngehörigen. Er braucht beispielsweise kein kost¬ 
spieliges Heer zu unterhalten, vielmehr ist das ganze Volk ein „Volk in 
Waffen", das zusammentritt, wenn die Not es erfordert. Soweit der 
Staat materielle Mittel gebraucht, beschafft er sich diese Sachgüter aus 
eigenem vermögen, vor allem aus dem staatlichen Grundbesitz (Do¬ 
mänen) oder dadurch, daß seine Angehörigen die Sachgüter (in Natur) 
liefern, d.h. durch sog. Naturallieferungen. Auch die staatlichen Neamten 
erhalten die Entschädigung für ihre Arbeitsleistungen in unmittelbaren 
Gebrauchsgütern, die zuni Teil auf den Domänen gewonnen, zum Teil 
von den Staatsangehörigen aus deren Grundbesitz und Ernteergebnis
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.