16 Erster Teil. In Haus, Hof und Werkstatt
getragen wird von diesem starken, guten Gemeinschaftsgeist, wie er in
unseren Dörfern daheim ist.
Die Heimat macht den Menschen stark und gesund — in seinem
Innersten und heiligsten. Da in der Heimat ist man umgeben von
gutem Geist. Da in der Stube, in der ich sitze, hat die Mutter
gewohnt. Da ist das Brett, auf dem ihre Bibel noch liegt. Sonntag
nachmittag hat sie allemal ihr Kapitel drin gelesen. Da in der Ecke stand
mein Bett, neben dem sie gekniet hat, wenn sie mich hineingelegt hatte
und mit mir betete. Da am Gisch hat der Vater gesessen und mit seinen
ernsten Bugen dich durch und durch geschaut, als du zum erstenmal auf
böse Wege gehen wolltest. Da hat er dir noch einmal die Hand gegeben,
als du zum Militär mußtest, und trotz der langen Bänder, die am Hut
des jungen Helden flatterten, dein herz gar nicht heldenmäßig schlug:
„Bub, bei den Grenadieren hat auch dein Vater gestanden. Mach mir
Ehre!" Da ist die Schule. Wenn du vorbeigehst, hörst du die Binder
die Sprüchlein und Liederverse sagen, die du einmal gelernt hast. Dann
ist's, als rührte Gott selber dein herz an. Die Erinnerung an manche
schlimmen Ñugenblicke ist ausgelöscht beim Gedanken an den Segen, den
du dort empfangen hast. Da ist deine Birche, und wer etwas auf sich
hält, darf dort nicht fehlen am Sonntag. Es gehört zum Bauernstolz,
daß man an seinem Platz ist. Und immer wieder fließen durch unsicht¬
bare Banäle Ströme göttlichen Lebens in dich hinein, wenn du die
schönen alten Lieder singst und die herzlichen Gebete mitbetest, an denen
euer Gesangbuch so reich ist. Da ist der Friedhof, auf dem viele deiner
Lieben schlafen: an ihren Gräbern stehst du manchmal am Sonntag
abend. Fährst du vorüber, wirfst du einen Blick hinein. Ernste, heilige
Gedanken wachen in dir auf. Da sind die ñcker, die Wiesen, auf denen
der Vater und der Großvater geschafft haben, willst du einmal müde
und verdrossen werden, weil nicht alles geht, wie du's im Bopfe hat¬
test, da ist's, als ständen die tüchtigen Männer vor dir: „verdirb nicht,
was wir angefangen haben. Führ's weiter! Unser Schweiß hat die
Scholle gedüngt, auf der du stehst!" Und gibt's Mißwachs, nasse Jahre,
Fehlernte, und will dir der Mut sinken, da ist's, als ob ihre Stimmen
riefen: „Bopf oben! Wir haben noch Schwereres durchgefochten und
sind oben geblieben!" Ñus allen Ecken des Hauses, von allen Enden des
Dorfes schauen gute Freundesgeister, tröstend, warnend, strafend, er¬
mutigend. Ihr seid getragen von starken Ñrmen.
p. U. ksesselbacher, (Quelle der Volksgesundheit. Berlin, Deutsche Landbuchhandlung.
6. Des Hauses Gemeinschaftsleben.
I. Eltern und Uinder.
II. Die Familie.
Schon die Ñusdehnung der Familie selber wird von der modernen
Gesittung immer enger gefaßt. In den bürgerlichen Breisen hält man es
für höchst altmodisch, entferntere Verwandtschaftsgrade noch zur Fa-