Full text: Deutsches Lesebuch für Handelsschulen sowie für Real- und höhere Bürgerschulen

I. Exzuhlungen. 
113. Der Eintritt in das Geschäft. 
(G. Freytag. Soll und Haben. 1855.) 
L 
Anton trat mit klopfendem Herzen in die Hausflur und lockerte den 
Brief seines Vaters in der Brusttasche. Er war sehr kleinmütig ge— 
worden, und sein Kopf war so schwer, daß er sich am liebsten einen 
Augenblick hingesetzt hätte, um auszuruhen. Aber wie Ruhe sah es in 
dem Hause nicht aus. Vor der Thüre stand ein großer Frachtwagen, 
in dem Hause standen mächtige Fässer und Ballen, und riesengroße, 
breisschultrige Männer mit Lederschürzen und kurzen Haken im Gürtel 
trugen Leiterbäume, klirrten mit Ketten, rollten die Fässer und schnürten 
dide Slride durch künstliche Knoten zusammen; dazwischen eilten Kommis, 
die Feder hinter dem Ohr, Papier in der Hand, ab und zu, und Fuhr⸗ 
leutẽ in blauen Blusen nahmen die Papiere, die Ballen und die Fässer 
in Empfang mit der geschäftlichen Würde, welche die Thätigkeit aller 
verantwortlichen Mins zu bezeichnen pflegt. Hier war kein Ort 
der Ruhe, Anton stieß an einen Ballen, fiel beinahe über einen Hebe— 
baum und wurde durch das „Vorgesehen!“ welches ihm zwei Männer 
mit Lederschürzen zuriefen, noch mit Mühe vor dem Schicksal bewahrt, 
unter einer großen Oltonne plattgedrückt zu werden. 
Im Zentrum der Bewegung, gleichsam als Sonne, um welche sich 
die Faͤsser, die Arbeiter und Fuhrleute herum drehten, stand ein junger 
Herr aus dem Geschäft, ein her mit entschlossener Miene und kurzen 
Worten, welcher als Zeichen seiner Herrschaft einen großen schwarzen 
Pinsel in der Hand hielt, mit dem er bald riesige Hieroglyphen auf 
die Ballen malte, bald den Auflädern ihre Bewegungen vorschrieb. 
Diesen Herrn fragte Anton mit klangloser Stimme nach dem Prinzipal 
des Geschäfts und wurde durch eine kurze Bewegung des Pinselstiels 
in den hintern Teil der Hausflur nach dem Comptoir gewiesen. Zögernd 
rat Anlon an die Thüre, es kostete ihn einen großen Entschluß, den 
Griff mit der Hand zu drehen, und als die Thüre geräuschlos aufging 
und er in das Dummerlicht der großen Arbeitsstube sah, da wurde 
ihm so angst, daß er kaum über die Schwelle schreiten kounte Sein 
Eintritt machte wenig Aufsehen. Ein halbes Duützend Schreiber fuhr 
hastig mit den Federn über die blauen Briefbogen, um noch die letzten 
Zuge vor dem Schluß des Comptoirs und der Post zu thun. Nur einer 
der Herren, welcher zunächst der Thüre saß, erhob sich und fragte in 
kühlem Geschaftson: „Was steht zu Ihren Diensten ?“ 
Auf die schüchterue Erklärung Antons, daß er Herrn Schröter zu 
sprechen wünsche, trat aus dem zweiten Comptoir ein großer Mann mit 
faltigem Gesicht, mit stehendem Hemdkragen, von sehr englischem Aus⸗
	        
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