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brot zum Frühstück bekommen. Wer aber zu faul ist und im
Bette liegen bleibt, erhält nichts als Schwarzbrot!“
„Ich stehe auf, Vater, ganz gewiss!“ riefen beide und gingen
zu Bette. Als aber der Vater am andern Morgen in die Kammer
trat, lagen sie noch bis über die Obren in den Federn und schliefen
ganz fest. „Heda! ihr kleinen Faulpelze,“ rief der Vater, „steht
auf, steht auf, es ist die höchste Zeit!“
Karl ermunterte sich schnell, sprang aus dem Bette, zog Kleider
und Stiefeln an und war in wenigen Minuten fertig. Gustav aber
dehnte sich, gähnte und legte sich auf die andere Seite. „Komm,
Gustav,“ sagte Karl, „mach schnell, sonst gehen wir fort!“ —
Gustav rührte sich aber nicht und brummte verdriesslich: „Lass
mich schlafen, ich bin noch so müde.“ — Da ging der Vater mit
Karl fort, und sie liessen den faulen Jungen liegen.
Als sie draussen einen kleinen Berg in die Höhe gestiegen
waren, blieben sie stehen und schauten sich um. Auf den Gräsern
und Halmen lagen Tautropfen, und Nebel flogen über die Felder.
Der Himmel sah prächtig rot aus, denn bald musste die Sonne
aufgehen. Jetzt kam sie hervor und machte die Wolken glänzend,
dass sie wie lauter Gold und Silber schimmerten.
„Ach, wie wunder-wunderschön ist das,“ rief Karl aus, „wie
leid thut es mir, dass Gustav das nicht auch sehen kann!“ —
„Warum ist er so faul!“ sagte der Vater, „ein fauler Knabe be¬
straft sich selbst.“
Sie gingen weiter und kamen in einen schattigen Wald. Die
Sonne schien durch die dichten Zweige und leuchtete auf die Tau¬
tropfen im Grase, dass sie Strahlen warfen wie Diamanten. Die
Vögel sangen und hüpften von Zweig zu Zweig. Eine Nachtigall
schlug im Gebüsche.
Wieder blieb der Vater stehen und horchte ein Weilchen.
„Ach, Vater,“ rief Karl, „wie freue ich mich, dass du mich mit¬
genommen hast. Wie herrlich singen die Vögel hier! Schade,
dass Gustav nicht hier ist!“ — „Ein Fauler muss entbehren, was
der Fleissige geniesst,“ antwortete der Vater und ging weiter.
Sie kamen an ein Häuschen. Unter einer grossen Linde stand
ein Tisch mit süsser Milch und Weissbrot. Karl war hungrig ge¬
worden, und das Frühstück schmeckte ihm besser als jemals.
„Lieber Vater,“ sagte er, „einen so schönen Morgen habe ich
noch nicht erlebt. Nimm mich doch bald wieder mit.“
Als sie heimkamen, kam Gustav daher. Karl lief ihm ent¬
gegen und rief: „Ach, dass du nicht mitgewesen bist, so schön ist
mir noch kein Morgen gewesen!“ Aber Gustav schlug die Augen
nieder und mochte seinen Vater nicht ansehen, denn er schämte
sich seiner Trägheit. Fr. Hoffmann.