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4. Der Prinz.
Die Mädchen waren fortgesprungen, aber der Bär rief ihnen
nach: „Schneeweißchen und Rosenrot, fürchtet euch nicht, wartet, ich
will mit euch gehen!" Da erkannten sie seine Stimme und blieben
stehen, und als der Bär bei ihnen war, fiel plötzlich die Bärenhaut
ab, und er stand da als ein schöner Mann und war ganz in Gold
gekleidet. „Ich bin eines Königs Sohn," sprach er, „und war von
dem gottlosen Zwerg, der mir meine Schätze gestohlen hatte, ver¬
wünscht, als ein wilder Bär in dem Walde umherzulaufen, bis ich
durch seinen Tod erlöst würde. Jetzt hat er seine wohlverdiente
Strafe empfangen."
Schneeweißchen ward mit ihm vermählt und Rosenrot mit
seinem Bruder, und sie teilten die großen Schätze miteinander, die der
Zwerg in seine Höhle zusammengetragen hatte. Die alte Mutter
lebte noch lange Jahre ruhig und glücklich bei ihren Kindern. Die
zwei Rosenbäumchen aber nahm sie mit, und sie standen vor ihrem
Fenster und trugen jedes Jahr die schönsten Rosen, weiße und rote.
Brüder Grimm.
64. Das Ährenfeld.
1. Ein Leben war's im Ährenfeld,
Wie sonst wohl nirgends auf der Welt:
Musik und Kirmes weit und breit
Und lauter Lust und Fröhlichkeit.
2. Die Grillen zirpten früh am Tag
Und luden ein zum Zechgelag:
„Hier ist es gut! Herein! Herein! —
Hier schenkt man Tau und Blütenwein."
3. Der Käfer kam mit seiner Frau, .
Trank hier ein Mäßlein kühlen Tau;
Und wo nur winkt' ein Blümelein,
Da kehrte gleich das Bienchen ein.
4. Den Fliegen ward die Zeit nicht lang,
Sie summten manchen frohen Sang;
Die Mücken tanzten ihren Reih'n
Wohl auf und ab im Sonnenschein.
5. Das war ein Leben ringsumher,
Als ob es ewig Kirmes wär'.
Die Gäste zogen aus und ein
Und ließen sich's gar wohl dort sein.