Full text: [Teil 3 = (4. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 3 = (4. Schuljahr), [Schülerband])

Aus der griechischen Sagenwelt. 
131. Dädalus und Ikarus. 
Dädalus aus Athen war der kunstreichste Mann seiner Zeit, Bau— 
meister, Bildhauer und Arbeiter in Stein. In den verschiedensten Gegen— 
den der Welt wurden Werke seiner Künst bewundert, und von seinen Bild— 
säulen sagte man, sie lebten, gingen und sähen und seien für kein Bild, 
sondern für ein beseeltes Geschöpf zu halten. Denn während an den Bild— 
säulen der früheren Meister die Augen geschlossen waren und die hände, 
von den Seiten des Rörpers nicht getrennt, schlaff herunterhingen, war 
er der erste, der seinen Bildern offene Augen gab, sie die Hände aus— 
strecken und auf schreitenden Füßen stehen ließ. Aber so kunstreich Dä— 
dalus war, so eitel und eifersüchtig war er auf seine Kunst, und diese 
Untugend verführte ihn zum Verbrechen und trieb ihn ins Elend. Er 
hatte einen Schwestersohn namens Talos, den er in seinen eigenen Künsten 
unterrichtete und der noch herrlichere Anlagen zeigte, als sein Oheim 
und Meister. Noch als Knabe hatte Talos die Töpferscheibe erfunden; 
den Kinnbacken einer Schlange, auf den er irgendwo gestoßen, gebrauchte er 
als Säge und durchschnitt mit den gezackten Zähnen ein kleines Brettchen, 
dann ahmte er dieses Werkzeug in Eisen nach, in dessen Schärfe er eine 
Reihe fortlaufender Zähne einschnitt, und wurde so der gepriesene Erfinder 
der Säge. Ebenso erfand er das Drechseleisen, indem er zuerst zwei 
eiserne Arme verband, van welchen der eine still stand, während der 
andere sich drehte. Auch andere künstliche Werkzeuge ersann er, alles 
ohne die hilfe seines Lehrers, und erwarb sich damit hohen Ruhm. 
Dädalus fing an zu befürchten, der Name des Schülers möchte größer 
werden, als der des Meisters; der Neid übermannte ihn, und er brachte 
den Knaben hinterlistig um, indem er ihn von Athenes Burg herabstürzte. 
Während Dädalus mit seinem Begräbnisse beschäftigt war, wurde er 
überrascht; er gab vor, eine Schlange zu verscharren. Dennoch wurde er 
vor dem Gerichte des Areopags wegen des Mordes angeklagt und 
schuldig befunden. Er entwich nun und irrte anfangs flüchtig in Attika 
umher, bis er weiter nach der Insel Kreta floh. hier fand er bei dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.