In Freud und Leid — des Herrn allzeit.
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öfters mit leeren Taschen, aber mit schwerem Kopfe heimkehrte, machte
sie ihm erst Vorstellungen, dann auch Vorwürfe. Weil er aber glaubte,
sich solches nicht gefallen lassen zu brauchen, so kam es zu ehelichen
Zwistigkeiten, die sie in den glücklichen Jaͤhren ihrer Ehe nicht gekannt
hatten Noch schlimmer wurde dies, als er auch noch unter die Kegler
uͤnd endlich unter die Kartenspieler geriet. Mit dem häuslichen Frieden
und dem Glücke war es jehßt vorbei. Zu seinem Unglücke warf er
öͤfters alle Neune, was ihn manches Gläschen Bier kostete. Besonders
teuer kam es ihm zu stehen, daß er die Ehre hatte, Schützenkönig zu
werden. Daß er als bester Kegler, Turner und Schütze galt, schmeichelte
ihm sehr, und so merkte er nicht, daß er darüber auch zum größten
Muͤßiggänger, Spieler und — Säufer wurde.
Seine gute Frau härmte sich; sie bat, flehte, weinte; alles war
umsonst. Wenn sie ihm gar die gerechtesten Vorwürfe über solch wüstes
Leben machte, so glaubte er, es keinen Abend mehr im Hause aushalten
zu können. Vor Morgen kam er dann selten heim.
Mit der Arbeit ging es dann ebensoschnell zurück wie mit dem
Fleiße. Die besten Kunden verlor er bald, und die Zechgenossen waren
sehr unsichere Käufer und schlechte Zahler. Kein ordentlicher Gesell
hielt es bei ihm aus, und der Lehrjunge trieb dumme Streiche.
22. Das war der schlimme Anfang vom bösen Ende. Die Frau
bekam die Schwindsucht uͤnd starb, kaum 30 Jahre alt, vor Gram und
Kuͤmmer. Deei arme Kinder standen an ihrem Totenbette, ein viertes
lag hilflos in den Windeln.
Eine Zeitlang schien es, als ob das Unglück, wie er es nannte,
ihn aus seinem wüsten Leben aufgeschreckt und zur Einkehr gebracht
hätte. Man sah ihn einige Wochen in keinem Wirtshause; aber auch
in die Kirche ging er nicht. Um sich zu zerstreuen und sich zu trösten,
besuchte er dann den Kegelklub wieder. Bald war er wieder ein Stamm—
gast seiner Vereine in alter Weise. Das hielt er aber nicht lange mehr
aus. Sein Besitztum war überschuldet, seine körperliche und auch die
geistige Kraft ganz erschöpft. Die Gemeinde mußte sich seiner unglück—
lchen Kinder erbarmen; sie erhielten als Pflegekinder eine armselige
Unterkunft bei herzlosen Menschen. Ein Jahr nach dem Tode der
Mutter brach bei dem Vater der Wahnsinn aus; er wurde ins Irren—
haus gebracht. — Das ist die Geschichte von Tausenden. Wie man's
treibt, so gehls. Und wer da steht, der sehe zu, daß er nicht falle!
Nach Meister Konrads ‚Werkstatt“.
107. Zünfte und Handwerkerinnungen im MWittelalter.
1. Am Ausgange des Mittelalters stand die gewerbliche Arbeit in
Deutschland auf einer Hbhe wie nie zuvor. Insbesondere war der Hand⸗
werkerstand in jeder Hinsicht tüchtig, leistungsfähig und hochgeachtet. Hand⸗
werk und Kunst gingen in zahlreichen Gewerben innig zusammen. In
ganz Europa galten die Deutschen als die ersten „Bauwerker“ der Welt.
Die hohe Bluͤte verdankte das deutsche Handwerk zum großen Teile der