462 VI. Das Gewerbe im Weltverkehr, im Ausland und im Vaterlande.
ist von um so größerer wirtschaftlicher Bedeutung, als der Arbeits-
lohn die Kosten des Stoffes weit übersteigt. Gleichwobl wird
der einzelne Arbeiter nur durch einen geringen Lohn für seinen
Fleiß und seine Geschicklichkeit entschädigt. So mub 2. B. ein
Drechsler, der lediglich Posthörnchen arbeitet, mit Weib und
Kindern vereint sich anstrengen, um wöchentlieh gegen 90 Dutzend
zu liefern; dafür erhält er kaum fünf Mark. Mie sich trotz
dieses geringen Lohnes das Holz verwertet, geht daraus hervor,
dabß eine Klafter Holz (zu 3 cbhm gerechnet) zu 4680 Dutzend
Posthörnchen ausreicht. Auf der einen Seite also eine merk-
würdig grobe Verwertung des Rohstoffes, auf der andern ein
karger Gewinn und ein kümmerliches Leben, besonders wenn man
hierfür noch, wie man mub, bei dem Drechsler den Preis für das
Holz, die Ausgaben für Wohnung, Kleidung, Nahrung, Peuerung,
Steuer u. s. V. in Anschlag bringt. — Das Kind, welehes am
lustigstrablenden Weihnachtsabende mit Frohsinn nach jenen Post-
hörnehen greift, hat keine Ahnung von dem trüben Dämmerlichte,
das dort am Walde in der armseligen Hütte seines Verfertigers
aittert; aber dab es die Eltern wübten und rechtzeitig dem Rinde
erzählten, das wäre gut. J. Kulzen.
255. Nürnberg.
1. Nürnberg war im 15. und 16. Jahrhundert nächst Augsburg
der Mittelpunkt des süd- und mitteldeutschen Handels durch Italien
nach dem Morgenlande; alle Künste und Gewerbe hatten hier ihre
Hauͤptsitze. Daher stand die Stadt damals in beneidenswerter Blüte
des Wohlstandes; ihr Glück ward von jedem Dichter gepriesen, von
jedem Schreiber beschrieben, ihre Verfassung von jedem Aufgeklärten
beneidet. Es war diejenige Sladt Deutschlands, welche große Talente
nicht nur gebar und fesselte, sondern auch fremde Talente an sich zu
ziehen wußte, wie dies kaum je eine Republik verstanden hat. Nicht
nut in Handel und Gewerbe, in Mechanik und Erfindungen Taschen⸗
uhren, Messing, Windbüchsen), sondern auch in Wissenschaften und
Künsten war sie groß. Sie war zugleich der Mittelpunkt und die hohe
Schule des Meistergesanges, blieb durch mehr als hundert Jahre bis
auf Hans Sachs die Wiege des deutschen Schauspiels, beherbergte in
ihren Mauern die ersten Größen in allen Fächern: Hans Sachs,
Martin Behaim, Albrecht Dürer und dessen Lehrer Wohlgemuth,
Adam Krafft, Peter Vischer und seine Söhne, Melchior Pfintzing,
Willibald Pirkheimer u. a.
2. Über zwölf sanft verschmolzene Hügel ausgegossen, erhebt sich
Nürnberg aus einer weit sie ümkreisenden Sandebene, und aus dieser
steigt auf jähem Felsenberge die stolze Burg empor, weit herrschenden
Blickes über das flache Land, welche so oft die Residenz des Reichs—
oberhauptes war. Nicht mehr sind die Reichskleinodien hier ausgestellt;
aber mit Ehrfurcht betritt man den Hof mit der achthundertjährigen