Full text: Lese- und Lehrbuch für gewerbliche Fortbildungsschulen und andere gewerbliche Lehranstalten

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VII. Der Gewerbetreibende in Gemeinde und Staat. 
ringere Strafsachen sind die Schöffengerichte bei den Amts— 
gerichten zuständig. Die Gerichtsverhandlungen sind öffentlich. 
3. Bei bürgerlichen Streitigkeiten, wo es zumeist auf die 
Auslegung des Rechts ankommt, entscheidet allein der fachmännisch ge— 
bildete und vom Staat angestellte Richter. Die Rechtsverhältnisse 
sind jedoch oft so verwickelt, daß die Richter selbst in Verlegenheit 
kommen. Es kann vorkommen, daß zwei derselben über die gleiche 
Sache eine verschiedene Meinung haben. Deshalb begnügt sich eine 
gute Rechtsverfassung nicht damit, für alle Fälle nur eine einmalige 
Aburteilung zuzulassen. Es kann der Verurteilte ein höheres Gericht 
anrufen, damit seine Sache nochmals geprüft und ein neuer Spruch 
gefüllt werde. Über dem Amtsgerichte steht das Landgericht, über 
diesem das Oberlandesgericht, in Berlin Kammergericht genannt (28 
im Deutschen Reiche). Das höchste Gericht ist das Reichsgericht 
in Leipzig. 
4. Die Rechtsanwälte sind die Fürsprecher für die streitenden 
Parteien und notwendig, weil die rechtlichen Formen oft so verwickelt 
sind, daß ein Rechtsunkundiger nicht damit umgehen kann. Das 
Prozesseführen wird freilich teurer durch die Rechtsanwälte; denn diese 
müssen ebensogut wie andere Leute von ihrer Arbeit leben. Allein 
ein guter und ehrlicher Rechtsbeistand verhütet auch manchen Prozeß, 
wenn er die Parteien zu einem gütlichen Vergleiche bewegt und 
prozeßsüchtige Leute von vornherein abweist. Nach Deimling. 
Ein magerer Vergleich ist besser denn ein fetter Prozeß! 
„Ich will, daß jedermann, er sei vornehm oder gering, reich oder arm, 
eine prompte Justiz administrieren und einem jeglichen Unfertanen ohne An— 
sehen der Person und des Standes durchgehends ein unparteiisches Recht wider— 
fahren soll.“ Friedrich der Große. 
276. Aus dem Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich. 
Gerechtigseit erhöhet ein Volh. 
1. Geschichtliches. Das gegenwärtig im Deutschen Reiche 
geltende Strafgesetzbuch wurde am 31. Mai 1870 als Gesetz des 
Norddeutschen Bundes erlassen, bald darauf als Gesetz für das neue 
Deutsche Reich ausgedehnt und, nachdem es am 1. Januar 1871 als 
solches in Kraft getreten, wiederholt ergänzt und umgeändert. Die 
Strafgesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten ist nur noch auf Steuern, 
Zölle, Forst-, Feld- und Jagdpolizei, auf das Vereins- und Ver— 
sammlungsrecht beschränkt. 
2 Geltungsgebiet. Das Strafgesetzbuch gilt für alle im 
Reichsgebiete begangenen strafbaren Handlungen, selbst wenn der Täter 
ein Ausländer ist. Auch Hochverrat und Münzverbrechen, selbst vom 
Ausländer im Auslande gegen das Deutsche Reich begangen, werden 
nach diesem Gesetze geahndet. Dagegen darf kein Deutscher nach dem 
Auslande zur Bestrafung ausgeliefert werden. Die Auslieferungs— 
verträge, welche die Staaten untereinander abgeschlossen haben, beziehen
	        
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