Full text: Preußischer Kinderfreund

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von 20 bis 30 Fuß zuweilen, obgleich sehr selten, noch 
übertrifft. 
Aber du wirst dich, lieber Freund, wundern, dass die 
Schlange anfangs so geduldig sich zum Sessel brauchen ließ. 
Hast du dir vielleicht schon emmal den Magen überfüllt? 
Dann hast du sicher gleich nach dem Essen eine Unbehag¬ 
lichkeit verspürt, die dich unfähig machte, sogleich etwas 
Vernünftiges mit deinem Verstände vorzunehmen; und 
selbst dein Körper war nicht so zum Springen und Hüpfen 
aufgelegt, als vor Tische. In einem ähnlichen Zustande, 
nur in weit höherm Grade, musste die Schlange gewesen 
sein. Die Kinnladen aller Schlangen öffnen sich so außer¬ 
ordentlich weit, dass sie mit Leichtigkeit weit dickere Thiere, 
als sie selbst sind, verschlingen können. Die Ringelnatter, 
die kaum einen Zoll im Durchmesser hat, verschlingt Kröten 
und Frösche, die ihr dann, wie dicke Knäuel im Magen lie¬ 
gen. Die Riesenschlange, die bekanntlich durch ihre große 
Muskelkraft den Schafen, Ziegen, Gazellen, ja selbst den Och¬ 
sen die Knochen im Leibe zerknacken kann, indem sie sie um¬ 
schlingt, schluckt diese Thiere ganz hinunter, ohne sie zu 
kauen, obgleich ihre Zähne so groß, wie die eines ordentli¬ 
chen Hühnerhundes sind. Keine Schlange zerkaut ihre 
Speise; die Zähne scheinen ihr uur zum Festhalten ihrer 
Beute zu dienen. 
Aber was für ein Magen gehört nun wol dazu, um 
ein nicht gekautes Rind mit Haut, Haaren und Knochen zu 
verdauen? Die Wände des Magens mögen noch so hart, 
und der Magensaft zur Verdauung noch so scharf sein; auf 
jeden Fall gehört eine große Anstrengung der innern Theile 
'des Thieres dazu; kein Wunder, dass es von außen in eine 
Art von Starrsuchl verfällt und ruhig da liegt, wenn der 
ganze Leib von der Nahrung aufgeschwellt ist. Begiebt sich 
nicht sogar der Tiger zur Ruhe, wenn das Verdauungsge¬ 
schäft nach einer tüchtigen Mahlzeit in ihm anfängt, und 
kauert sich der gefräßige Geier nicht auch in einem unförm¬ 
lichen Federklumpen zusammen, wenn er sich vollgestopft hat? 
Er sitzt dann da, ohne zu sehen und zu hören, steckt seinen 
Kopf ganz in die Schultern zurück, so dass alle nackte« 
Theile seines Halses verschwinden, und lässt die Flügel hän¬ 
gen, so dass sie ihm die Beine verbergen; alle seine Federn 
starren dann nur so von ihm weg. Ritter. 
206. Fortsetzung von den Schlangen. 
Aber nicht die Größe und diese Starrsucht allein ma¬ 
chen die Schlangen merkwürdig Ihr ganzer Körper ist -
	        
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