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II. Der Landwirt in Familie und Besitztum.
läßt sich bei dem reichlichen Wasservorrat eine Kraft von zehn Pferden her⸗
stellen. Es ist ein totes Kapital, das wir da unbenutzt liegen haben.“
2. „Ich weiß es wohl, mein Sohn,“ erwiderte der Valer. „Des⸗
halb habe ich auch die Wiese hinter der Scheune nimmer verkaufen
mögen, soviel der Nachbar auch schon dafür geboten hat.“ „Nun, so
laß uns eine Mühle bauen; das Holz dazu haben wir ja in unserm
Walde. Es stehen dort so viele schlagreife Tannen und Eichen. Die
gehören auch schon zum toten Kapital; denn sie haben keinen Zuwachs
mehr und müssen faulen, wenn sie nicht geschlagen werden.“
„Auch das ist richtig, lieber Junge,“ sagte der Vater, „aber es
gehört doch noch mehr dazu; denn um deine toten Kapitalien zur
Nuͤtzung zu bringen, muß man erst noch recht viel andere lebendige
Kapitalien dazulegen. Der Mühlenbau verschlingt zunächst ein starkes
Anlagekapital, von dem wir das Grundstück und das Holz zwar
haben, die Arbeitslöhne, die Steine und Ziegel, die Maschinen und
die zahllosen Eisenteile aber kaufen müssen. Auch unsere Gespanne
müssen wir vermehren, zunächst zum Baue, nachher zum Betriebe; denn
was wir auch mit der Wasserkraft anfangen mögen, wir müssen die
Rohstoffe, die wir vermahlen oder zerschneiden oder zerstampfen wollen,
erst anfahren. Nach dem Anlagekapital aber kommt das Betriebs—
kapital, das auch bedeutend ist; denn wir müssen Gesellen halten,
das ganze Gesinde vermehren und den Mühlenkunden mancherlei Kredit
und Vorschüsse gewähren. Das Anlagekapital wird 20000 Mark, das
Betriebskapital 10000 Mark erfordern. Das will doch sehr überlegt
sein, ob wir die Zinsen davon herauswirtschaften werden. Borgen
wenigstens möchte ich das Geld nicht. Aber ich dachte mir so, daß in
etwa drei Jahren unser ganzer Wald schlagreif ist. Dann rechne ich
auf etwa 30 000 Mark Holzerlös, und dann wollen wir noch einmal
von der Sache sprechen. Mahlnnn
c) Unverschuldete Leiden führen zu himmlischen Freuden.
Not und Lod gehen an keiner Tiir vorbei.
Leiden ohne Schuld traqe in Geduld!
143. Armut und Mildtätigkeit.
Im warmen Stübchen ist's bequem, ist's lieblich, hübsch und angenehm;
doch manche Mutter, Gott erbarm, nimmt's Kindlein nackend auf den Arm.
Sie hat kein Hemd, hört's kläglich schrein und wickelt's in die Schürze ein.
Sie hat kein Holz; sie hat kein Brot und klagt dem lieben Gott die Not.
Friert's noch so stark, das Mutterherz, taut doch in Tränen auf der Schmerz.
Der Winter ist ein rauher Mann. Wer nimmt sich doch der Armen an?
Geh hin und bring der armen Seel ein weißes Hemd, ein Säckchen Mehl,
ein Bündlein Holz, und sag ihr dann, daß sie auch zu uns kommen kann,
um Brot zu holen immer frisch, und dann — deck auch für uns den Tisch!
JZ. P. Hebel.