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Aber das Stemmeisen und der Keil dringen tiefer und tiefer;
da schüttelt einer der Hundertjährigen sein hohes Haupt, er weiß
doch gar nicht, was die Menschlein wollen da unten, die kleinen,
possierlichen Wesen — er kann nicht begreifen und schüttelt wieder
das Haupt. Da geht ihm der Stoß ins Herz; — unten knistert es,
schnalzt es, und nun wankt der Riese, knickt ein, rauschend und pfeifend
in einem ungeheueren Bogen kreist er hin, mit wildem Krachen
stürzt er zu Boden. Leer ist es in der Luft, eine Lücke hat der Wald.
Hundert Frühlinge haben ihn emporgehoben mit ihrer Ciebe und
Milde; jetzt ist er tot, und die Welt ist und bleibt ganz auch ohne
ihn — den lebendigen Baum.
Still stehen die zwei, drei Menschlein, sie stützen sich auf den
Beilstiel und blicken auf ihr Opfer. Sie klagen nicht, sie jauchzen
nicht, eine grausame Kaltblütigkeit liegt auf ihren rauhen, sonnver—
brannten Zůgen; ihr Gesicht und ihre Hände sehen ja aus wie von
Fichtenrinden. Sie stopfen sich ein Pfeiflein, schärfen die Hacken und
gehen wieder an die Arbeit. Sie hauen die Aste von dem hingestreckten
Stamme, sie schürfen ihm mit einem breiten Messer die Rinde ab,
sie schneiden ihn vielleicht gar in klafterlange Stücke; — und nun
liegt der stolze Baum in nackten Klötzen.
Der Holzhauer denkt nicht daran, kann nicht daran denken, nur
daß er sich, wenn der „Meisterknecht“ nicht zugegen, ein wenig auf
den weißen Stock mit den Jahresringen setzt und wieder ein Pfeif⸗
chen stopft, oder — wie das bei den Waldleuten schon eine absonder⸗
liche Gewohnheit ist — sich gar einen Ballen Tabak in den Mund
steckt, um einen ganzen halben Tag an ihm zu kauen. Das Tabak⸗
kauen ist dem Holzschläger ein großer Genuß, es ist ihm, wie er
sagt, das halbe Essen und dreiviertel Arznei.
Viele Baumstämme werden zu Kohlen verwandelt und zu diesem
Zwecke zu Scheiten oder längeren Stücken, den „Dreilingen“ (drei
hackenstiellangen Strünken) zerkleinert. Die Kohlen werden entweder
zu Wagen oder, wo der Weg zu elend ist, auf dem Rücken der Pferde
und Halbpferde hinausbefördert zu den Hammerwerken der Vorgegenden.
Nur die schönsten Stämme werden als Bauholz verwendet.
Der Holzhauer weiß freilich nichts von der Schönheit der Wild⸗
nis. Dem Holzhauer ist der Wald nichts als ein feindlicher Vorort,
dem er Brot und Leben abringen muß mit dem blitzenden Beile.
P. K. Rosegger.
64. Anlage- und Retriebskapital.
Als der junge Mertens von der Ackerbauschule in Badersleben
auf das väterliche Gut zurückkehrte, da fand er daheim so manches,
das wohl der Verbesserung oder besseren Ausnutzung bedürftig war,
und der Vater hatte auch so manche Lehre schon von ihm ange—
nommen.