Full text: Lesebuch für Fortbildungsschulen auf dem Lande und in kleineren Städten

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den andern durch die Tür in den inneren Raum. Zur Zeit habe ich die 
blassesten Gesichter gesehen in meinem Leben. Die meisten schritten übrigens 
recht tapfer durch die verhängnisvolle Pforte. Wir waren aber nummeriert. 
Für mich hatte der Krieglacher Vorstand gezogen und zwar die Nummer 67. 
Die Nummern bis 30 hinauf kehrten fast zur Hälfte nicht wieder. 
Ein Feldwebel holte ihre Kleider. Wir wußten, was das zu bedeuten 
hatte. Die aber zurückkehrten, brachten ein um so vergnüglicheres Gesicht 
mit, kleideten sich so rasch als möglich an oder nahmen aus Furcht, daß es die 
Herren drinnen gar noch reuen könne, sie laufen gelassen zu haben, eilig die 
Kleider unter den Arm und entschlüpften durch irgend ein Loch ins Freie. 
Von den Nummern 51 bis 65 kehrte jeder zurück. Die Nummer 66 
erschien nicht mehr; der Feldwebel kam um ihren Anzug. 
So wurde endlich nach Nummer 67 gerufen. Ich schrut mit möglichster 
Gemessenheit — eher zu schnell als zu langsam — in die Löwenhöhle. 
Was war denn da Besonderes? Drei oder vier Herren in schwarzen 
Röcken mit funkelnden Knöpfen, silbernen Halskrägen, rasselnden Säbeln 
und martialischen Schnurrbärten; Zigarren rauchten sie. Mein erster 
Gedanke war, ob sie nicht durch ein höfliches „Guten Morgen“ zu be— 
stechen wären. Aber ich hatte von meinen Vordermännern gehört, daß 
die Herren auf solchen Gruß gar nicht gedankt hätten; wir waren nichts 
als eine Sache, und wer wird denn mit einer Nummer 67 Gruß tauschen? 
Ich biß also die Zähne zusammen und schwieg und warf den trotzigsten 
meiner Blicke vor mich hin. 
Sofort wurde ich an eine aufrechtstehende Stange gestellt. Einer 
der Offiziere schob mit sachtem Händedruck die Brust hervor, die Knie 
zurück und sagte: „Vierundsechzig und einhalb!“ 
Ein anderer schien das aufzuschreiben. „Brust frisch; Muskeln bildungs⸗ 
fähig.“ „Noch ein Jahr laufen lassen,“ sagte ein anderer. „Geh' und zieh' 
dich an!“ 
Das war der ganze Vorgang. Ich wußte kaum, wie ich wieder 
in den Vorsaal gekommen war. 
Wir erwarteten die Gebliebenen in den Wirtshäusern von Bruck, sie 
wurden mit lautem Geschrei empfangen, und sie wurden gefeiert mit Wein 
und Gesang, und wenn mancher der „Behaltenen“ ins Brüten wollte ver— 
sinken darüber, daß er heute sein heiteres Jugendleben in den grünen 
Bergen verloren und nun fortmarschieren sollte, vielleicht in ein fremdes 
Land, vielleicht aufs weite Feld und daß er — er lebte so gern wie die 
anderen — sein junges Blut sollte einsetzen: so weckte ihn das Gejohle 
der Zechgenossen immer wieder zu neuer Wirtshauslust, und endlich war 
in allen eine Stimmung, als wäre bloß dieser eine Tag, aber er hätte 
kein Ende, er versinke nur in die Nacht und die Nacht in Wein. Am 
anderen Tage kehrten wir nach Krieglach zurück. Veter Rosegger. 
132. Der Sergeant in der Bauernslube. 
Nach der Schlacht bei Wörth drangen die siegreichen, von der 
Hitze des Kampfes aufs höchste aufgeregten, von Hunger und Durst ge—
	        
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