Full text: Lesebuch für landwirtschaftliche Schulen und ländliche Fortbildungsschulen sowie zur Unterhaltung und Belehrung angehender Landwirte

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Gedichte, Grzählungen und Betrachtungen. 
Die melden ihn dem Pfarr' und der dem Edelmann. 
Der Junker hört ihn staunend an. 
„Was,“ bricht er aus, „so viel für eine Traube? 
Der König ist ein braver Mann; 
Nun sollt ihr sehn, wie ich ihn schraube.“ 
Aus seinem Stall wählt er ein schönes Roß, 
Setzt sich darauf und reitet vor das Schloß. 
Vom Fenster sieht der Fürst ihn traben, 
Und lobet laut das schöne Pferd. 
„Hältst du es, Herr, der Ehre wert, 
In deinem Marstall es zu haben, 
Gebiete, so gehört es dir, 
Zu hoher Gnade halt' ich's mir.“ 
Der Fürst: „Ich danke dir. Allein verlegen denke 
Ich nach, womit ich nun hinwieder dich beschenke.“ 
Von seiner kargen List hat er bereits gehört.) 
„Du bist ein reicher Mann, mit dir erlaube 
Ich mir nur Tausch nicht Kauf. Ei nun, ich glaube 
Ein Ding, in seiner Art so einzig als dein Pferd, 
Hat auch für dich, so wie für mich, besondern Wert. 
Ich schick' es dir..“ Was war's? Ein Demant? Nein, die Traube. 
(Ludw. Heinr. v. Nicolay, 1737 - 1820.) 
33. Lekßker Berbstgang. 
Noch einmal lockt es uns hinaus zum Lebewohl von dem scheidenden 
Herbst. Der Abendwind jagt düsteres Gewölk über den blauen Himmels— 
plan und treibt die letzten vergilbten Blätter aus den kahlen Wipfeln über 
die noch immer grünenden Wiesen. Ein ewiger Wechsel herrscht über uns 
in der Höhe, wo bald die Sonne, bald das verhüllende Gewölke die Beleuch— 
tung der Gegend bestimmt. Aus leuchtender Helle werden wir in graue 
Schatten gerissen; bald wühlt der Wind in den Falten unserer Kleider, bald 
duldet er, daß ein fallendes Blatt senkrecht niederfällt. Er neckt uns, denn 
wenn wir eine Strecke weit im Gehen gegen ihn ankämpften, so daß wir 
uns fast auf ihn legen konnten, so steht er dann plötzlich still, so daß wir 
beinahe umstürzen. Mag er doch! Wir halten unseren Hut und lassen uns 
gern gefallen, daß er das letzte Stäubchen aus unseren Kleidern kehrt, so 
daß wir nie so reine Kleider haben als nach einem solchen windigen Gange. 
Jetzt hat der Wind eine Regenwolke im Sturm zerzaust und peitscht 
ihr Naß uns stechend in's Gesicht; doch gleich darauf folgt wieder Sonnen— 
schein und Ruhe. 
So haben wir ein lichtes Buschholz gewonnen, in welchem kleine freie 
Wiesenplätze mit niedrigem Buschwerk und Baumgruppen sich mischen. Hier 
und da ragt auch eine grauverwitterte Steinklippe über den fast ebenen 
Boden hervor, und in einigen kleinen, flachen Einsenkungen desselben stehen 
kleine Wasserlachen, von Weidengebüsch umgeben. Links grenzt diese buschige
	        
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