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Gedichte, Erzählungen und Betrachtungen.
Der hat sich selber sehr betrogen
Und baut auf einen Regenbogen.
Wer die Seele will bewahren,
Der muss die Selbstsucht lassen
fahren.
Wer Gott liebet, wie er soll,
Dess Herz ist aller Tugend voll;
Wer aber ohne Gott will leben,
Der wird nicht viele Ehr' erstreben.
Wer Gott nicht fürchtet alle Tag',
Dess Mutistnichtvomrechten Schlag.
Wer da lebet in Gottes Gebot,
In dem ist Gott und er in Gott.
Gott hört alle Güte
Und niedrigt Hochgemüte.
Gott ist verborgen nichts allerwärts,
Vor Gott liegt offen jedes Herz.
Es sei übel oder gut,
Was jemand im Gehbeimen thut,
Oder was im Herzen wird erdacht,
Von Gott wird Alles an's Licht
goehraentb.
Alle Welt von ihm Lohn empfahbt
Im UMass, wie sie gedient ihm hat.
Auf seinem Wege selten fällt,
Wor sein Vertrauenauf Gott gestellt.
Wir sollen mit allen Sinnen
Gott fürchten und ihn minnen.
Der Welt ihr Dräuen und ihr Zorn,
Die sind an Gott gar sehr verlor'n;
Mit Pleh'n und Bitten kommt zuihm,
Er fürchtet keines Menschen Grimm.
Das allerkleinste, das er schafft,
Ist mehr als aller Welten Rraft;
Den schwächsten Halm, den Gott
erdacht,
Hat ihm noch keiner nachgemacht.
Aus Freidanks Bescheidenheit, 1229)
40. Die Worte des Glaubens.
Drei Worte nenn' ich euch, inhalt—
schwer,
Sie gehen von Munde zu Munde,
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur giebt davon Kunde.
Dem Menschen aller Wert geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte
glaubt.
Der Mensch ist freigeschaffen, ist frei,
Und würd' er in Ketten geboren,
Laßteuch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Thoren!
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette
bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert
nicht!
Und die Tugend, sie ist kein leerer
Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben,
Und sollt' er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben.
Und was kein Verstand der Verständi—
gen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Ge—
müt.
Und ein Gott ist, ein heilart Wille
ebt,
Wie auch der menschliche wanke;
Hochüber der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
Es beharret im Wechln g ruhiger
eist.
Die drei Worte bewahret euch, in—
haltschwer,
Sie pflanzet von Munde zu Munde,
Und stammen sie gleich ni von außen
er
Euer Inn'res giebt davon Kunde.
Dem Menschen ist aller Wert geraubt,
Wenn er nicht mehr an die drei Worte
glaubt.
(Schiller.)