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Gedichte, Erzählungen und Betrachtungen.
Dat Moor is brun, de Heid is
brun,
Dat Wullgras schint so witt as Dun,
So week as Sid, so rein as Snee:
Den Hadbar reckt dat bet ant Knee.
Das Moor ist braun, die Heid' ist
braun,
Das Wollgras weiß wie Eiderdaun,
Ein weicher Gräschen sah ich nie.
Es reicht dem Storche bis ans Knie.
Hier hüppt de Pock int Ret hent—
lank,
Un singt uns Abends sin Gesank;
De Voss de bru't, de Wachtel röppt,
Die ganze Welt is still und slöppt.
Du hörst din Schritt ni, wenn du
geist,
Du hörst de Rüschen, wenn du steist,
Dat levt und wevt int ganze Feld,
As wert bi Nacht en anner Welt.
Hier hüpft der Frosch das Rohr ent—
lang
Und singt uns seinen Nachtgesang;
Der Fuchs sitzt still, die Wachtel schlägt,
Es schläft die Welt, kein Blatt sich regt.
Du hörst den Schritt nicht, wenn
du gehst,
Nur leises Regen, wenn du stehst;
Das lebt und webt im ganzen Feld,
Als wär's bei Nacht 'ne andre Welt.
Denn wart dat Moor so wit un
grot,
Denn ward de Minsch so lütt to Mod:
Wull weel, wa lang he doer de Heid
Noch frisch und kräfti geit!
(Klaus Groth, 1819.)
Dann wird das Moor so groß und
weit,
Die Brust beklemmt's wie Herzeleid;
Wer weiß wie lang man noch wird sehn
Uns durch die Heide gehn.
(Derselbe, übersetzt durch Winterfeld.)
52. Ludwig der Eiserne ackerk mik seinen Adeligen.
Al nun Ludwig der Eiserne*) seiner Ritter einen überzog, der sich
wider ihn zerbrochen hatte, sammelten sich die andern und wollten es nicht
leiden. Da kam er zu streiten mit ihnen bei der Naumburg an der Saale,
bezwang und fing sie und führte sie zu der Burg; redte seine Notdurft
und strafte sie hart mit Worten: „Euren geleisteten Eid, so ihr mir ge—
schworen und gelobet, habt ihr böslich gehalten. Nun wollte ich zwar eure
Untreue wohl lohnen; wenn ich's aber thäte, spräche man vielleicht, ich
tötete meine eigenen Diener; sollte ich euch schatzen, spräche man mir's auch
nicht wohl; ließe ich euch aber los, so achtet ihr meines Zornes fürder
nicht“. Da nahm er sie und führte sie zu Felde und fand auf dem Acker
einen Pflug; darein spannte er der ungehorsamen Edelleute je vier, ackerte
mit ihnen eine Furche, und die Diener hielten den Pflug; er aber trieb
mit der Geißel und hieb, daß sie sich beugten und oft auf die Erde fielen.
Wann dann eine Furche geackert war, spannte er vier andere ein und ackerte
also einen ganzen Acker, gleich als mit Pferden, und ließ darnach den Acker
mit großen Steinen zeichnen zu einem ewigen Gedächtnis. Und den Acker
machte er frei dergestalt, „daß ein jeder Übelthäter, wie groß er auch wäre,
wenn er darauf käme, daselbst solle frei sein; und wer die Freiheit brechen
würde, sollte den Hals verloren haben;“ nannte den Acker den Edelacker,
*) Landgraf von Thüringen 1140- 1172.