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selbem und zu bett herrlichsten Erzeugnissen bes Gartenbaus. Fruchtbäume
prangen in unermeßlicher Menge unb in jeglicher Art vom sauren
Holzapfel bis zum lieblichen Pfirsich. Hoch auf ben Bergen bes Lanbes
erhebt unter Buchen unb Tannen bie getvaltige Eiche ihr Haupt zu ben
Wolken empor unb blickt über Abhänge unb Hügel hinweg, bie ben köst¬
lichen Wein erzeugen, bie Freube ber Menschen.
Kein reißenbes Tier schreckt, kein giftiges Gewürm broht, kein
häßliches Ungeziefer quält. Aber Überfluß gewährt bas Laub an nütz¬
lichem Vieh, an kleinem ime an großem, für bes Menschen Arbeit,
Zwecke unb Genüsse. Das Schaf trügt Wolle für bas feinste Gespinst,
ber Stier verkünbet Kraft unb Stärke in Bau unb Gestalt, bas Pferb
geht tüchtig einher im Fuhrwerk, prächtig vor betn Wagen ber Großen
unb stolz als Kampfroß unter betn Krieger, hier ausbauernb unb bort.
In ihrem Innern verbirgt bie Erbe große unb reiche Schütze. Aus
vielen unb unerschöpstichen Quellen sprubelt sie freiwillig bem Menschen
Heilung zu unb Gesunbheit und Heiterkeit. Den fleißigen Bergmann
belohnt sie balb mit bem ebelsten Gewürze, bem Salze, balb mit Silber
unb Golb, hinreichenb für ben Verkehr unb bie Verzierung bes Lebens,
balb mit Eisen in Menge, bem Manne zur Waffe unb Wehr, zu Schutz
unb Schirm bem Volke.
Ein solches Lanb mit so reichen Gaben, Eigenschaften unb Kräften
ausgestattet, ist von ber Natur unverkennbar bestimmt, ein großes unb
starkes Volk zu ernähren in Einfalt unb Tugenb unb eine hohe Bilbung
bes Geistes in biesem Volke burch Übung unb Anstrengung zu erzeugen,
zu erhalten, zu förbern.
Auch ist bas Lanb nicht umsonst bestimmter Grenzen beraubt gegen
Morgen wie gegen Abenb unb selbst gegen Mitternacht. Die Bewohner
können sich gegen ben Reib, bie Habsucht unb ben Übermut frember
Völker auf nichts verlassen, als auf ihre eigene Kraft. Es gibt für sie
keine Sicherheit als in ihrem festen Zusammenhalten, in ihrer Einigkeit,
in ihrer sittlichen Macht.
Enblich ist ben Bewohnern bieses Lanbes burch große unb schöne
Ströme bas Meer geöffnet unb ber Zugang zur Welt. Aber bas Meer
brängt sich nicht so verführerisch an sie heran ober zwischen sie hinein,
baß sie verlockt unb bem heimatlichen Boben entfrembet werben könnten.
Vielmehr kann ber eblere Mensch bem Gebanken an eine beutsche Erbe
unb an einen beutschen Himmel nicht entgehen; unb bieser Gebanke
scheint in ihm bie Sehnsucht erhalten zu müssen zu ber Welt seiner Geburt
unb bie Liebe zu bem Boben seines Vaterlanbes. H. Luden.
3. Des Tacitus Bericht über die alten Deutschen.
Um bas Jahr 100 n. Chr. schrieb ber römische Geschichtsschreiber
Taeitus für seine Lanbsleute über bas Lanb unb bie Sitten ber Deut¬
schen ein Buch, bas bie ausführlichste Kunbe über unsere Vorfahren
enthält. Darin wirb u. a. berichtet: